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eingeführt. Lawinen von Lügen, bewußten Fälschungen
und phantastischen Verzerrungen stürzten
vor den Augen der Welt über das Werk der
Kommunisten in Rußland nieder. Schließlich
kannte sich in dem Wust der Widersprüche, Gerüchte
und Dementis, der Behauptungen und
Manifeste niemand mehr aus. Der zweite Kongreß
der Dritten Internationale, die Delegationen, die
ihn besuchten, und die über das, was sie gesehen
hatten, Bericht gaben, halfen nicht, den
Nebel zu zerstreuen. Auf manchem qualmenden
Scheiterhaufen, der den Männern der Sowjet-
Regierung errichtet wurde, brodelte brenzlich das
eigene heimische Parteisüppchen. Ich war ziemlich
entmutigt, wankend und unsicher geworden,
als mich im Sommer dieses Jahres ein Zeitungskonzern
aufforderte, nach Rußland zu fahren und
über meine Erfahrungen ein Buch zu schreiben.
WTie sind die Berichterstatter beschaffen, die die
Welt in das belagerte, vielverleumdete und viel- i
gepriesene Land entsendet? Und auf welche Art
und Weise kann man in Rußland das Wesentliche
erfahren? Das Mitglied der Partei kommt hier
nicht in Frage — es betritt und verläßt Rußland
natürlich mit gebundener Marschroute. Ich kenne
einige Bücher, eine Reihe von Aufsätzen über
Sowjet-Rußland, bin auch mit einem und dem
anderen Berichterstatter persönlich bekannt und
infolgedessen fähig, den Mann mit seiner Meinung
wie mit den tatsächlichen Verhältnissen zu
konfrontieren. Allerhand ehrgeizige Gesellen,
heimliche Geschäftemacher, tückische Verräter l
tummeln sich auf dem heißen und bunten Boden
herum. Der Wahrheitsbegierigen, der in gutem
Sinne Wissensdurstigen, der Befugten und Be-
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