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doch in fast allen Fällen aufgehoben — und
Freiheitsstrafen verwandeln sich immer mehr
unter dem Druck der Notwendigkeit einer mit
allen Mitteln forcierten Produktion in Zwangsarbeit
. Die Arbeit für die Gemeinschaft, Wesenskern
und Sinn des Kommunismus, verliert mehr
und mehr die ihr innewohnende ethische Bedeutung
.
Es muß noch gesagt werden, daß der Subbotnik
im Kreml genau so eingehalten wird wie in der
Stadt, wie im ganzen Lande. Lenin, Trotzki
schleppen und sägen Holz und schaufeln Dreck,
wenn es sein muß, und vermutlich mit größerer
Lust, als die Mehrzahl von uns Narkominodel-
Leuten es getan hat. Denn unter uns waren nicht
wenige, die mit widerstrebendem Gefühl und un-
überzeugt von der Einheit der Arbeit im Schlamm
an den Eisenbahngleisen standen. Der Kommunist
aber arbeitet mit Hand und Gehirn, freiwillig
und opfermutig und weiß es nicht, wann
und wo die Überstunden in seinem Tagewerk
beginnen.
Radek erzählte mir von seinem Woskressennik.
Er hatte mit anderen Volkskommissaren Holz
durch das Borowitzkajator in den Kreml hinaufgeschleppt
, und seine alte Köchin, eine simple
bäurische Analphabetin, hatte ihn bei dieser Verrichtung
gesehen. Die Alte war entgeistert: sie
wußte doch, ihr Herr und Genosse stellte irgend
etwas in der Regierung vor, jetzt leistete er diese
entehrende körperliche Arbeit, wie ein beliebiger
Bauernbursche bei ihr zu Hause im Dorf. Radek
hielt ihr daraufhin einen populären Vortrag über
den Kommunismus und das Problem der Arbeit
in der kommunistischen Gesellschaft. Uralter
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