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Organisationen ihre Autonomie erhalten müßten,
was sich aus den recht chaotischen Verhältnissen
erklärt, in denen die Bildungsorgani-
sationen Rußlands sich im allgemeinen bcfin-
den — aber vor allen Dingen und in erster Reihe
aus dem noch im Zustande des Nebelflecks befindlichen
Gebild der Proletkult selbst. Denn
wenn es heute in Rußland eine Organisation
gibt, die sich noch im Stadium eines völlig phantastischen
utopischen Wollens befindet, so ist es
die Prolelkult-Organisation.
Grundideen der Proletkult sind: es soll eine
Kritik der bürgerlichen Kultur gegeben werden.—
Es soll aus dem Schatze dessen, was die Kultur
der vergangenen Zeit hervorgebracht hat, das
zur Verwendung ausgesucht werden, was 'für
eine auf vollkommen neuer Basis erstehende proletarische
Kultur verwendbar erscheint. Schönheit
soll überall, wie das Bewußtsein der
Menschenwürde und die Genugtuung an den
Früchten der eigenen Betätigung, aus der Arbeit
und der Gemeinschaft der Arbeitenden erblühen.
Sie soll nicht dort hineingetragen werden, wo
gearbeitet wird, sondern aus der Arbeit selber erwachsen
und die Seelen der Arbeitenden erheben
und beschwingen.
Die Schöpfer der Proletkult-Bewegung verneinen
nicht das Hohe und Gute verflossener Kulturepochen
. Aber warum hat die erdrückende Mehrheit
des Volkes an den „Segnungen" dieser Kulturepochen
bisher solch armseligen Anteil gehabt?
Warum war sie, man kann es ruhig sagen,
ausgeschlossen von dem Genüsse dieser Kultur?
Warum durfte sie nur, gleichsam auf der Straße
stehend, die beleuchteten Fenster des Palastes
? Tlolitscber, Drei Monate in Sowjet-Rußland Qn
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