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Petersburg. Hierüber berichte ich sogleich. Vieles
andere noch, eine Unmasse von Anregungen ging
von diesem Kongreß der Proletkult aus.
Ich habe es selber erfahren, wie schwer Organisationen
zur Schaffung proletarischer Kultur aufzubauen
sind, ehe das Proletariat noch die politische
Macht erobert hat. Aber auch in Rußland,
wo das Proletariat die Macht bereits in Händen
hält, bleibt die Proletkult von all' den schönen
und hohen Dingen, die heute die Seelen des Volkes
bewegen, das Schmerzens- und Sorgenkind der
werdenden neuen Welt.
Chaos der Künste
Im Augenblick, in dem du den Fuß auf russische
Erde setzest — nehmen wir an, dies geschieht
am Ausgang des Petersburger Nikolai-Bahnhofes
— siehst du dich bereits gierig nach der Kunst
des neuen Rußlands um. Denn, nicht wahr, du
weißt es: hier hat das Weltrad eine Drehung
beschrieben, ein neues Volk bewegt sich durch
die Straßen, da möchtest du doch sehen, wie die
Künstler die veränderten Gezeiten empfunden,
miterlebt, gestaltet haben, und wie das äußere
Bild Rußlands, das durch die Revolution so gründlich
veränderte, durch die Begeisterung der Künstler
verschönt worden ist?
Das erste, was du auf dem Newski-Prospekt
erblickst, ist eine riesige Holzbaracke, eine Estrade
und Rednertribüne, die Holzverschalung des monströsen
Trubetzkoischen Pferdes mit dem Zaren
Alexander III. darauf. Dieses Denkmal, so wurde
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