http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/holitscher1921/0120
einem Künstler eingeräumt, dessen Namen ich
vergessen habe, der aber Gemälde wie dieses
malte: eine Tafel, schwarz, in der Mitte ein
schwarz lackierter Kreis, glänzend schwarz, der
von einem maltschwarz lackierten durchschnitten
wird. Eine andere Tafel zeigt auf blauem Grund
einen geraden Strich von gelber Farbe quer von
unten links nach oben rechts. Fünfzig andere
Tafeln einer neuen Kunst, die das Primitive, wie
man sieht, mit Erfolg sucht und zu finden gewußt
hat, bedecken die Wände. An der Mittelwand
aber hängt das Manifest des Künstlers: sieben eng
beschriebene Schreibmaschinenseiten. Durch diese
Ausstellung führte an einem Sonntag, als ich sie
besuchte, ein junger Volkskommissariatsbeamter
eine Arbeitergruppe, die das mit bewegter Stimme
vorgetragene Manifest ehrfurchtsvoll anhöite und
dann selber zusah, wie der eine schwarze Kreis
den anderen durchschnitt.
Man wirft den Bolschewiki überhitzten Drang
bei der Erfüllung ihrer Erziehungsbestrebungen
vor. Man ruftihnenzu: ihr überfüttert das Volk
mit Kunst 1 Das Volk schafft sich sein ßrot selber,
ihr aber stopft ihm Schaumkuchen in den liachen,
bis es sich übergibt! In Petersburg leitete, als ich
zuletzt dort war, eine Ausstellung im ehemaligen
Winterpalais eine für den Winter und die kommenden
Jahreszeiten geplante Ausstellungsreihe
ein. In dieser ersten war alles Erdenkliche zusammengetragen
: Theaterkunst, Kinokunst, ein
Propagandawaggon für erwachsene Analphabeten,
Gebrauchs- und Luxustöpfereien mit den Sowjet-
Emblemen, eine Modenschau (1) mit neuen Kostümen
und Hüten, aus Samt, auf denen der
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