http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/holitscher1921/0230
tuellen immer mehr an Bedeutung gewinnt, so
verbreitet sich dafür unter dem niederen, dem
emporgehobenen Volke der Glaube, daß ein Er-
\ löser der Menschheit in der Person Lenins,
den der Volksmund mit seinem Vatersnamen II-
jilsch liebkosend nennt, bereits unter den Menschen
weile. Ein Schicksalslicht aus Märtyrer-
tum und Menschengläubigkeit webt um lijitsch,
der Hunger, Exil, Verfolgungen aller Art kennt,
/ der verwundet worden ist von Kugeln und Flüchen
. Die Gestalt Lenins, in dessen Natur der
Fanatismus des russischen Bauern mit der Weltklugheit
eines Führers der Massen sich auf seltsamste
Weise paart, lenkt in Wahrheit zugleich
die Schicksale des Volkes, dem er entstammt und
die Welt zu einer neuen, erst in den nebligen Anfängen
erkennbaren Gläubigkeit hin.
yu den vier Kelchen, aus denen die Menschgetrunken
hat: den Feigensaft Buddhas, den Wein
jloms, den Honig des Davidsohnes _Christus, die
Milch _Mohammeds, fügt sich der fünfte — bis
an den Rand gefüllt vom heilenden Wasser des
Kommunismus. In diesem von Seufzern und
Schreien widerhallenden Tränental, dieser von
Not, Begeisterung und Verzweiflung geschüttelten
Welt lebt ein starker Glaube an die Zukunft,
ohne den kein Wesen auf die Dauer zu bestehen
vermag; ein Jeuseitsglaube, wie ihn kein Bekenntnis
bisher den Menschen zu schenken vermocht
.hat. Dieser Glaube, der mit metaphysischer
GewaU von immer größeren Kreisen der
Menschheit Besitz ergreift, ist:
der Glaube an die Weltrevolution.
Beseelung, überirdisches Labsal
22Ö
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/holitscher1921/0230