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viranus'i) U.A., neuerdings aber namentlich Alb er s 2). Man erkannte wegen ihrer Zusammensetzung
aus Ganglienzellen, die so nirgends vorkommen und durch ihren Pigmenlinhalt ihr die
eigenthümliche graue Färbung ertheilen, in ihr die Central Substanz, in welcher die spontanen
Kräfte des Hirns ihren Silz haben, im Gegensatz zu der peripherischen, der Medul-
larsubslanz, welche, aus den Primilivfasern zusammengesetzt, wie sie, die leitende Substanz ist.
Was im Grossen schon angenommen war, bestätigte und befestigte nun auch die Geweblehre in den
Molecülen. Knoten, graue Substanz und Ganglienkugeln sind die drei Gradationen der
Centraiorgane, wie Nerven, Marksubstanz und Primitivfäden die drei Glieder der peripherischen
Nervenmasse.
Am wenigsten hat aber unter den zweierlei Anhäufungen grauer Substanz im Gehirn die verdiente
Würdigung die Rindensubstanz erhalten, ungeachtet schon Gall seine psychischen Organe in die
Windungen verlegte. Die psychologische Vagheit der Gall'sehen Organenlehre, welche bei den Erhabenheiten
des Gehäuses stehen blieb, statt den individuellen Verschiedenheilen der eingeschlossenen
Hirnorgane selbst nachzuspüren, die Unregelmässigkeit der Anordnung der Windungen, ihre grosse
Zahl, die Schwierigkeit, sie in ein wissenschaftlich und natürlich geordnetes System zusammenzufassen
— Alles dieses hat die Untersuchung von dem Chaos der menschlichen Windungen ab- und
den freilich schöneren und regelmässigeren, aber gewiss auch psychisch unwichtigeren Gestalten der
Hirnganglien, den Commissuren und Hirnschenkelsystem zugewendet.
In nachstehenden Beobachtungen liefere auch ich einige Bausteine zu einem Systeme der
Windungen des kleinen und des grossen Gehirns.
Am kleinen Gehirn erkannte man zuerst die faserige und blätterige Structur Quelle Boe). Nachdem
Malacarne und Pourfour Petit hierauf die einzelnen Blätter seiner Windungen mit eisernem
Fleisse gezählt, eine grössere Zahl von Lappen angenommen und den Unterschied von Lappen,
Läppchen, Blättern und Lamellen aufgestellt hatten, hat vor Allen Reil es zum Gegenstande seiner
eben so geistreichen als gründlichen Untersuchungen gemacht und es in unübertroffenen Zeichnungen dargestellt
. Serres hat auf den Gegensatz von Wurm und Hemisphären in den Säugethieren aufmerksam
gemacht, und Burdach, Arnold u. A. den Verlauf der Schenkel, der Belegungsmasse u. s. w.
aufgeklärt.
Reil ging, um die Zahl der Lappen des kleinen Gehirns natürlich zu bestimmen, von der verschiedenen
Tiefe der Einschnitte aus. Die tieferen Einschnitte deuteten ihm mit Recht die Hauptabiheilungen
([Lappen), die flacheren aber nur die Unterabtheilungen ([Läppchen und Blätter) an.
So natürlich und richtig dies auch ist, so ist es doch immer ein rein empirischer Weg. Die vergleichende
Anatomie führt uns sicherer und weiter, bis zum anatomischen Princip, welches Reil
nicht geahnt hat, weil er nicht den vergleichend-anatomischen, genetischen Weg einschlug und jedenfalls
die Thierhirne nur nebenbei betrachtete. Er spricht zwar vom kleinen Gehirn des Hasen, Schafes
, Rindes und Pferdes, nennt es aber ein starkes Convolut von unregelmässigen Ansätzen und beweist
damit, dass er die Ordnung dieser Ansätze, die so viel Licht auf den menschlichen Bau werfen,
nicht erkannt hat.
Am kleinen Gehirn der Herbivoren wie Carnivoren scheiden sich sehr scharf zwei Hälften. Der
Einen Hälfte gehört das Züngelchen ßingula), der Centrallappen nebst Flügeln ßobus centralis)
und der Berg C-Uonticulus) sammt dem viereckigen Lappen ßobus quadr angularis), der Anderen die
übrigen bekannten Lappen des Wurms und der Hemisphären an, und beide Hälften stehen im Gegensatz
der Enlwickelung und ihres übrigen Verhaltens zu einander.
Am merkwürdigsten und eigenlhümlichsten ist die letzlere Hälfte.
1) Biologie Bd. C. S. 1GG.
2) Deutsche Klinik 1852. S. 42
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