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oder der Schläfenlappen selbst die besonders entwickelten Theile sind. Neben dem gewöhnlichen
hinteren Qu erdurchmesser ist es zweckmässig, noch einen zweiten vorderen dicht hinter den
Jochfortsätzen des Stirnbeins zu nehmen. Er bestimmt die grösste Breite des Stirnhirns, wie jener
die des Scheitelhirns.
4) Die Höhe des grossen Gehirns würde man am besten thun, von dem in der Höhlung des
grossen Keilbeinflügels liegenden tiefsten Theile des Mittellappens aus, also am Schädel von der unteren
Fläche dieses Flügels bis zu der senkrecht darüber liegenden Stelle der Schädeldecke
zu bestimmen, oder weiter rückwärts von der Scheitelzitzennaht aus, weil dieser Ort dem
oberen Rande der Felsenbeine entspricht, wo die Hemisphären auch eine beträchtliche Höhe besitzen
, an der Grenze ihres Mittel- und Hinlerlappens. Durch ein Dreieck, dessen Basis der an
der Scheilelzilzennaht genommene Querdurchmesser und dessen Seiten die Entfernung dieser Stelle
von dem darüber liegenden Punkte der Pfeilnaht seyn würden, lässt sich dann leicht die wahre Höhe
des grossen Gehirns am Schädel bestimmen, und zwar hier oft noch besser, als am herausgenommenen
Gehirn selbst, das durch sein eigenes Gewicht immer etwas zusammengedrückt wird. Der gewöhnliche
senkrechte Durchmesser von der Mitte des Hinterhauptsloches zur Schädeldecke, den ich in
meinen Tabellen ebenfalls nach der üblichen Weise angegeben habe, ist zu allgemein, er zeigt nicht,
wie viel von ihm auf die Höhe des kleinen und des grossen Gehirns kömmt, vermischt also Dinge,
die nicht zusammengehören. Ich bemerke dies nur für fernere Untersuchungen. Für die Höhe des
Stirnhirns giebt Aufschluss die Entfernung des Augenhöhlendaches von der Kranznaht.
5) So sehr nun auch die Länge der Hemisphären die vorherrschende Eigenschaft des grossen
Gehirns ist, so weicht sie doch allmählig in Etwas der Breitedimension und das Hirn breitet sich bei
höherer Entwickelung mehr und mehr der Quere nach aus, wie ein oberflächlicher Blick auf das Hirn
eines Fisches und eines Säugelhieres lehrt. Jedoch hat dies seine Grenze, über welche hinaus man nicht
sageji kann, dass die höchste Ausbildung des queren Durchmessers günstig auf die Seelenkräfte einwirkt.
6) Das Neugeborene hat demgemäss auch einen grösseren Längendurchmesser der Hemisphären
als ein Erwachsener, wenn er auch variirt und sobald der Querdurchmesser an den Scheitelhöckern
gemessen wird (Tarietaldurchinesser), wohl selbst kleiner erscheint, als später, wegen der
zuckcrhularligen Entwickelung dieser Höcker in diesem Alter. Die grössere Breite der Hemisphären
rückt später immer tiefer herab gegen den Schläfenlappen und Klappdeckel hin und die Länge erreicht
so im Mittel 56—571». Je höher oben bei einem Erwachsenen der Querdurchmesser liegt, desto kindlicher
ist sein Schädel- und Hirnbau, je mehr der Temporaldurchmesser zunimmt, desto mehr ist er
davon entfernt.
7) Das weibliche Geschlecht hat bald ein verhältnissmässig längeres, bald ein breiteres Gehirn
als das männliche.
Krause 1) gibt das Vcrhällniss vom Längen- zum Parietaldurchmesser
beim männl. Schädel 203,157 Mm. : 169,297 = 54,5 : 45,5g oder des Längen- zum Temp.-Dm. = 203,157 : 142,210 = 58,8 : 41,2g,
— weibl. 189,613 — : 155,753 = 54,9 : 45,1g-- — = 189,613 : 128,666 = 59,6 : 40,4g!
In beiden Fällen ist also beim Weibe der Längendurchmesser um 0,4-J oder 0,8o grösser, besonders
am Temporaldurchmesserj weil, wie beim Kinde, auch am weiblichen Schädel die Schlafbein-
schuppe und folglich auch der Schläfenlappen zwar gewölbter ist, aber man kann in Hinblick auf das
Resultat meiner Flächenmessungen £S. 183 hinzusetzen, auch kleiner.
Die Messungen von Arnold2) widersprechen aber denen von Krause. Nach ihm sind alle
drei Querdurctimesser (liin lerer, zwischen den unteren Winkeln der Scheitelbeine, mittlerer,
zwischen den vorderen unteren Winkeln derselben, vorderer, zwischen den Schläfenflächen des
Stirnbeins über dem Jochfortsatz) beim Weibe im Vortheil gegen den Mann im Vergleich mit dem
Längendnrclmiesser: denn der hinlere beträgt beim Mann und Weib 42,6 und 43,1$, der mittlere
1) Handb. der menschl. Anat. I. 225.
2) Handb. der Anat. I. 422.
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