http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/huschke1894/0162
150
mit diesen und dann weiter mit der Haube der Hirnschenkel und den diese wesentlich bildenden
Vorder st rängen des Rückenmarkes zusammen. Ihnen gebührt also der Name der Windungen der
Vorder- oder Olivenstränge, der Haube oder der Sehhügel.
Auf ähnliche Weise werden sich die Hinterstränge des Rückenmarkes verhalten und steht ihre
Zweitheilung in zarte Stränge und Keil stränge damit vielleicht theilweis im Connex. Wenigstens
dringen die ersten, ohne Antheil am kleinen Gehirn zu nehmen, wesentlich in die Haube ein,
laufen also wahrscheinlich mit deren übrigen Fasern dem Hinter läppen zu, während die Keilstränge
, nachdem sie ihren Antheil an das Cerebellum abgegeben haben, wahrscheinlich in die Vorderlappen
sich begeben. Jedoch ist der Endverlauf derselben weniger klar.
Ein anderer wesentlicher Mangel der Physiologie ist aber, dass wir die physiologische Natur
der Seitenstränge noch nicht genau kennen und nur wissen, dass sie entschieden motorisch
und in ihren hinteren Lagen wahrscheinlich auch sensibel sind. Ausserdem wird eine weitere
Untersuchung an jedem der vier Rückenmarksstränge ausser dem Verlaufe als Ganzes auch den ihrer
einzelnen Blätter und Bündel studiren müssen und so und auf experimentellem Wege ihre functionellen
Eigenthümlichkeiten festzustellen haben. Liesse sich der Satz von Bell halten, dass die Seitenstränge
eine respiratorische Bedeutung haben, so würde damit sehr gut ihre endliche Verbreitung in der
Substanz der Streifenhügel, als der mit dem Geruchsorgane in naher Beziehung stehenden Hirnganglien
harmoniren; denn der Geruchssinn selbst ist der Respirationssinn und wahrscheinlich hat das
ganze Slirnhirn eine verwandte Bedeutung, selbst in seinem Hemisphärentheile oder dessen psychischer
Thätigkeit. Eine entgegengesetzte Bedeutung dürfte dann aber auch dem Scheitclhirn zufallen.
Fünftes Kapitel.
Das Hirnwasser.
Es ist durch die Versuche von Ecker u. A. nachgewiesen, dass die respiratorische Hirnbewegung
vorzüglich auf Rechnung des Hirnwassers CFluidum cerebrospinale) kömmt, welches bei der
Exspiration durch die Anschwellung der Blutleiter des Wirbelkanals aus dem äusseren und dem inneren
(Subarachnoidealraunf) Sacke der Arachnoidea des Rückenmarkes in den Sack der Spinnengewebehaut
des Hirns und in dessen Ventrikel heraufgetrieben wird und das Hirn und seine Häute auftreibt
und füllt, seine Theile befeuchtet, entfaltet, um im Acte der Einathmung wieder zu sinken und um
das Rückenmark ebenso zu befeuchten, während das Gehirn zusammenfällt.
Dadurch erscheint die Arachnoidea als die einzige seröse Haut unseres Körpers, welche selbst
im gesunden Zustande eine grosse Menge thierischen Wassers absondert, wovon ihr Sack mehr
oder weniger angefüllt ist. Herzbeutel, Brustfelle, Bauchfell und eigentümliche Scheidenhäute der
Hoden werden davon nur befeuchtet, ohne dass es sich auch nur tropfenweis ansammelte, und eine
nur geringe Anhäufung desselben ist bei ihnen schon als ein abnormer Zustand anzusehen, ja wirkliche
Krankheit. Das Hirn und Rückenmark der Säugethiere dagegen bedürfen dieser hin- und
herfluthenden Menge ihres Wassers und der Mensch ist — sit venia verbo — immer hirnwassersüchtig
, auch im gesunden Zustande.
Diese Eigentümlichkeit der Arachnoidea, wodurch sie sich als seröse Haut der animalen Systeme
von der zweiten vegetativen Serosa (^Bauchfell nebst seinen Anhängen: Herzbeutel, Brustfelle
und Scheidenhäute *)) wesentlich unterscheidet, erstreckt sich sogar auf ihre zu Auge und Ohr gehenden
Ausstülpungen. Im Augapfel setzt sie sich in den Zwischenraum von Scleroüca und Chorioi-
dea als Lamina fusca, Descemet'sehe Haut und als Oberaderhaut fort und entwickelt sich, wie ich
1) Huschke, Handbuch der Splancbnologie. S. 191.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/huschke1894/0162