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cente vom Scheilelhirn abziehen muss, um zu dem richtigen Volum der zwei Abteilungen des grossen
Gehirns zu gelangen.
Kaum kann man diese Differenz der zweierlei Messungsarten auf etwas Anderes schieben, als
auf die Quantität des Hirnwassers und der freien Räume des Hirns. Die Hirnhäute haben wenigstens
nahezu überall dieselbe Dicke, wenn auch allerdings die Hirnsichel am Scheitelhirn breiter und dicker
ist. Ebenso ist der Unterschied des specifischen Gewichtes selbst zwischen grossem und kleinem Gehirn
zu gering, als dass so viel auf dessen Rechnung gesetzt werden könnte. Dagegen ist der aller-
grösste Theil der Hirnhöhlen im Scheitelhirn gelegen, die Wasserleitung, die dritte Hirnhöhle und so
gut wie ganz die Seitenhöhlen mit ihren drei Hörnern, von denen selbst das vordere nur theilweis
dem Stirnhirn angehört. Im Hinterhauptshirn befindet sich nur die vierte Hirnhöhle, der erwähnte
Blindsack der Spinnengewebehaut am unteren Wurm und der Zugang des Hirnwassers zum grossen
Gehirn.
Sechstes Kapitel.
Geschlechtsverschiedenheiten der Windungen und des grossen
Gehirns überhaupt.
Fassen wir nun alle besonderen, in den vorigen Abschnitten beschriebenen Beobachtungen über
das verschiedene Grössen- und Gewichtsverhältniss der einzelnen Theile in dem grossen Gehirn beider
Geschlechter unter Hinzufügung der geschlechtlichen Verschiedenheiten der Windungen zusammen
, so werden wir eine harmonische Verschiedenheit ganzer Massen nicht verkennen können.
Am schwersten von allen Unterschieden des Geschlechts und des Alters sind die Eigentümlichkeiten
des Windungssystems am grossen, vielleicht noch mehr am kleinen Gehirn, zu entdecken. Es
ist aber keine Frage, dass sie existiren.
Wenn Ackermann *) behauptet, dass es keinen Geschlechtsunterschied gebe, ausser etwa,
dass bei hübschen Frauenzimmern die mittleren Hirnlappen kleiner sind, als im Manne, was er aber
doch nur aus der Kleinheit ihres Keilbeins folgert, so zeigt dies hin auf einen noch rohen Zustand
dieser Frage. Wer einmal einen Unterschied der geschlechtlichen Psyche annimmt und die Geisteskräfte
im Gehirn localisirt, muss zu dem entgegengesetzten Schlüsse getrieben werden. Aber auch
die Beobachtung zeigte uns schon Mancherlei der Art in den durch Wägung und Messung des Schädels
und verschiedener Hirntheile gewonnenen Resultaten. Sie werden auch nicht ausbleiben bei der
Untersuchung der Windungen, wenn sie sich auch unter dem erst durch eine natürliche Systematik
entwirrbaren Knäuel derselben verslecken, unter der Maske einer zwitterhaften Individualität und unter
den mancherlei Varietäten, welche die Windungen selbst an den beiden Hemisphären Eines und
desselben Hirns zeigen. Es gehören viele Gehirne dazu, um allgemeine Gesetze aufzustellen und das
Individuelle von dem Wesentlichen mit Sicherheit absondern zu können.
Um sicher zu gehen, muss die Untersuchung mit den grossen Abtheilungen beginnen, von denen
1) De discrimine sexuum praeter genitalia. p. 89. Fabrica encephali adeo sibi constans est, ut nonnisi raro vel tantilla a recta
norma aberratio inveniatur; neque ulla partium encephali a sexu differentia est, praeterquam quod in feminis formae venu-
stioris lobi cerebrales medii minores sint ac in viris. Hoc ex facta de cranio feminino observatione deducitur, quae arctius
idem anterius esse et os sphenoideum minus cranii ossibus interponi nos docuit. Und weiter, S. 25: Cranii feminini basis
minor et arctior est . .. Si concipiatur ex utroque latere ad ossis midliformis spinam duci parallelas, perpendicularis inier
Mas intercepta minor erit et parallelae sibi viciniores decurrent. Erit igitur tota hac area, quae oritur, ducta perpendi-
cidari in unam parallelarum minor, et simid spatium nervis transeuntibus destinatum angustius . . . ut, si et in virili et in
muliebri cranio linea ab uno zygomate ad. alierum ducta eosdem pollices contineret, brevior nihilominus linea foret, quae
ab ossis sphenoidei spina ad alferam dncitur. Ich muss gestehen, dass ich diesen Unterschied nicht habe wahrnehmen können
, eher das Gegentheil.
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