http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/huschke1894/0169
J57
7) Sind aber auch die Läppchen des Interparietalhirns am Negerhirn voluminöser, als am
Hirn des Europäers, wie es denn auch schon beim Affen und Neugeborenen in grossem Yortheil ist.
Nehme ich die Länge des Zwickels und hinteren Endläppchens, so machen sie von der Länge
der ganzen Hemisphäre bei den Affen 23,5° aus, bei dem Chimpanse sogar 31$, beim Orang-Utang
29*, beim Neger 22,4*, beim Europäer 20*.
8) Betrachtet man die Innenfläche der Hemisphären, so scheint beim Europäer die über dem
Balken befindliche Höhe derselben im Verhältniss zur Länge der Hemisphäre bedeutender zu seyn,
als beim Neger und den Affen. Hier verhalten sie sich nämlich dazu wie 17 — 18:83*, beim Europäer
21 — 22:79 — 78*. Misst man nun die zweierlei Gyri, die an der Innenfläche liegen, nämlich
die Höhe des Bogenwulstes und die über ihm liegenden vorderen Längenwindungen der dritten Urwin-
dung, so ergiebt sich, dass sich ihre Höhe zu einander verhält beim Europäer wie 37—38: 63—62*,
bei Simia Troglodytes wie 41:59*. Also sind es die oberen Längen Windungen, welche allmählig
bis zum Europäer an Höhe zunehmen, nicht der Bogenwulst, der im Gegentheil dieselbe Grösse behält
oder sogar abnimmt und sich fast nur durch Verästelung mehr vervollkommnet.
9) Beim Neger hat das Vorderende des grossen Gehirns eine stumpfer abgerundete Gestalt, als
beim Europäer, womit vielleicht der Mangel der Tubera frontalia zusammenhängt, den man sowohl beim
Neger- als auch Kaflernschädel bemerkt hat (van der Hoeven). Zum Theil liegt die Ursache im
Gyrus cinguli, der zwar gleich vor dem Knie des Balkens auch beim Neger den starken und mehrglie-
derigcn aufsteigenden Ast abgiebt, welcher den Stamm des Bogenwulstes von den oberen Windungen
trennt; dieser ist aber kürzer, hebt daher den oberen Theil des Stirnhirns nicht so hoch empor, wie
im Europäer, wodurch eine mehr abgerundete, als hohe Gestalt des Stirnhirns entstehen muss. Beim
Chimpanse und Orang-Utang ist jener Ast noch niedriger und fehlt sogar beim ersteren fast gänzlich, sein
Hirn ist daher vorn zwar auch stumpf, aber mehr parabolisch, beim Neger und Orang-Utang kreisrund
. Beim Pavian ist das vordere Ende der Hemisphären spitz in Folge der sparsamen Verästelung
der drei Urwindungen, welche hier alle schmal zusammenlaufen, ja es sind hier und an ihrem Anfange,
an der vorderen Centralwindung, ihrer nur zwei, diese daher aber an dem letzteren Orte breit.
Beim Neger ist ferner der hinterste aufsteigende Ast des Bogenwulstes, der zum Vorzwickel in
die Höhe geht und daher dieser selbst, ansehnlich.
Aus Allem diesen geht hervor, dass das Negerhirn, sowohl das grosse wie das kleine,
ja auch das Rückenmark, den Typus des kindlichen und weiblichen Hirns eines
Europäers besitzt und ausserdem sich dem Typus des Hirns der höheren Affen nä-
h e r t. Diese Aehnlichkeit des Negerhirns mit dem des europäischen Weibes würde noch grösser seyn,
wenn sich nicht beide wesentlich dadurch von einander unterschieden, dass jenes sich durch Länge,
dieses durch Breite auszeichnet. Jenes hat ein noch entwickelteres Zwischenscheitelhirn, bei diesem
hingegen ist verhältnissmässig mehr der Scheiteltheil der Hemisphären entwickelt, als dieses.
Welche weiteren Verschiedenheiten am Negerhirn existiren, ob, wie bei Simia Troglodytes, nach
van der Kolk, der Trianglc orbifaire von Foville schmaler ist, die Sylvische Grube nicht so lief,
die Insel weniger entwickelt und offener ist und vor der Sylvischen Grube liegt, die nicht so vollkommen
vom Klappdeckel bedeckt wird u. s. w., bedarf weiterer Untersuchungen, sowie denn auch
die obigen Punkle an einer grösseren Anzahl von Negerhirnen geprüft werden müssen.
An dem Wachsabgusse der Schädelhöhle eines Caraiben fiel mir ausser der begreiflichen Flachheit
des Stirnhirns noch insbesondere auf, dass auf beiden Seiten der mittlere Zug der vorderen Län-
genwindungen Vi" über dem Augenhölilendache stark eingedrückt war. Dagegen waren es keineswegs
die drei Urwindungen, eine Stelle etwa ausgenommen, die jenen seitlichen Eindrücken correspon-
dirte. Dagegen stand die erste Urwindung gleich über dem äusseren Augenwinkel hügelarlig beträchtlich
hervor. Die Windungen des Schläfenlappens waren breit und stark und standen horizontaler
. Bei einem Madurcscn stiegen diese Windungen schiefer abwärts, das Stirnhirn war klein
40
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/huschke1894/0169