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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/huschke1894/0176
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umzuwandeln, oder dass unser Körper eine fremde Bürde, ein Gefängniss sey, worin siebenzig Jahre
lang unsere Seele schmachte. Selbst die occasionalistische Form der Verbindung, welche Lotze
entwickelt hat, entspricht nicht der Natur der Sache; denn auch hier erscheinen beide Haltten unseres
Daseyns, Körper und Geist, als zwei einander mehr oder weniger fremde Gebiete, während sie doch
aus Einem Urquell entsprossen angesehen werden müssen, von dem sie getragen werden und durch
welchen hindurch sie in stetem Zusammenhange, in innigem Wechselverhällnisse bleiben. Dazu kömmt
aber dort noch die Inconsequenz, dass trotz dieser Annahme dennoch dem Gedanken die Centraiorgane
des Nervensystems als eine variable, immer aber doch materielle Kraft zu Gebote stehen
sollen, was mit anderen Worten heisst, dass der Gedanke auf das Gehirn als seinen Diener einwirkt
. Dadurch wird aber der Standpunkt noch schiefer, die Causalverbindung wird durch ein Hin-
terthürchen wieder eingeschmuggelt, das Hirn als Handlanger und Dolmetscher zwischen Leib und
Seele gestellt und der übrige Leib zu einer geistlosen Maschine herabgewürdigt, was er nicht ist.

Können nun aber beide Erscheinungsweisen unseres Lebens nur mit einander parallelisirt, nicht
causal aus einander entwickelt werden, wie andere Naturerscheinungen, so ist gleichwohl das Studium
des Hirnbaues und seiner inneren Spannungen und Leitungen psychologisch nicht weniger wich (ig,
als wenn sie ursächlich verbunden wären, weil sie uns einen Fingerzeig geben für die Gedankenwelt,
die ihnen parallel läuft, eine Symbolik des Geistes.

Unter diesen Umständen wird man sogleich die Frage stellen: Sind Gedanke und Nervenbewegung
wirklich so abzusondernde, einander entgegengesetzte Gebiete des Lebens, wo findest Du dann die
Handhabe, um sie auch nur parallelisiren zu können, wo die Eigenschaften, die dennoch beiden so
gemein sind, dass sie in wissenschaftliche Verbindung gesetzt werden können? — Ich antworte, es
sind die Kategorieen, denen sie mehr oder minder beide unterworfen sind.

Abgesehen von der Schwierigkeit dieser Antwort, die derjenigen gleich ist, wenn wir die Farbe
mit der sie begleitenden Aetherschwingung parallelisiren wollen, sind doch beide der Zeit, ja in gewisser
Hinsicht auch den Gesetzen des Raumes unterworfen. Ihre Erscheinungen kommen und vergehen
, ihr Gang ist langsam oder schnell und hat seinen bestimmten Rhythmus. Sie sind einfach
oder zusammengesetzt, gleichartig und entgegengesetzt, nehmen an Intensität und Bestimmtheit der
Erscheinung zu und ab, trennen sich und breiten sich aus oder fassen zusammen und ziehen sich und
ihr Object auf Einen Punkt zusammen. Die verschiedenen Vorstellungen, wie die einzelnen Nervenbewegungen
sind, jede für sich, durch das Band der Causalilät auf das Engste unter einander verbunden
und verwandeln sich daher in einander, läutern sich von Stufe zu Stufe und ziehen einander
an oder stossen sich ab und verdrängen einander. Beide richten sich bald auf das Innere, bald auf
die Aussenwelt. Wenn das Hirn Bewegungen hat, so hat der Geist seine geselzmässigen Veränderungen
, die das in der Zeit sind, was die Bewegungen für den Raum. Die Mathematik und
Metaphysik lässt sich mit Einem W7orte auf beide anwenden, ja man hat dies unbewusst von jeher
gethan. So hat man den Sitz der Seele fast immer in die nur Einmal im Hirn vorkommenden, in
die unpaaren, mittleren Hirntheile verlegt, weil man es der Einfachheit der Seele angemessen zu seyn
glaubte, ihr auch ein einfaches Organ und den Mittelpunkt des Hirns anzuweisen. Aus demselben
Grunde versetzte man die isolirenden und spontanen Kräfte des Geistes in die Ganglienkugeln, das
einigende Bewusstseyn in die Commissuren und die Gedankenbewegung stellte man mit den Bewegungen
des Nervenprincips zusammen. Kurz, es liegt diesem Verfahren überall ein wissenschaftliches
Parallelisiren nach einzelnen Kategorieen zu Grunde. Auf dieses Gleichstellen wird sich also unsere
wissenschaftliche Erklärung der Verbindung von geistigem und körperlichem Leben zu beschränken
haben. Die Sicherheit dieses Verfahrens wird aber zu schärfen seyn durch alle Mittel der Na-
turforschung, durch Beobachtung und Experiment.

Uebrigens wird bei jeder der vier möglichen Ansichten über die Art des Zusammenhanges von
Geist und Körper das körperliche Substrat dem Gedanken entsprechen, ihm verwandt seyn müssen,
man mag die Welt als unsere Vorstellung betrachten, wie Fichte, oder das Hirn als Instru-


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