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ment des Geistes, wie die Theologen und Spiritualislen, oder als Ursache der Gedanken, wie die
Malerialisten, oder als gleichzeitigen symbolischen Ausdruck derselben ansehen. Ist die Aus-
senwelt lediglich unsere Vorstellung, so sind Sinneserscheinungen wie Gedanken nur niedere oder
höhere Vorstellungen unseres Ich, also nur dem Grade nach verschieden, und es handelt sich hier gar
nicht um eine vom Gedanken verschiedene Körperwelt, die bei dieser Ansicht vielmehr selbst eine Art
von Gedanken ist. Oder ist das Hirn sammt seinen elektrischen Erzitterungen Instrument, d. h. der
erste Angriffspunkt, von wo aus der über den Körper erhabene, einer materiellen Basis baare Geist
auf unseren übrigen Körper wirkt, so müssen die Saiten dieses Clavichords auch eine Verwandtschaft
zu dem tastenden Finger der Gedanken haben, wenn es soll angeschlagen werden können. Ist ferner
nach der drillen Ansicht die Hirnmasse der Boden, aus welchem die ätherische Quelle unserer Vorstellungen
hervorströmt, wie die Galle aus der Leber, so ist zu bedenken, dass eine Wirkung an
sich eben nur eine Wiederholung ihrer zeugenden Ursachen ist. Sind endlich beide Processe
symbolisch mit einander verbunden und der Gedanke der Hirnbewegung inhärent, löst sich die
ganze Natur in eine vom Geiste begleitete Raumwelt auf, so müssen sie auch einander adäquat
seyn.

Wenn ich aber zurückkehre zu der Frage über den Sitz der Seele, und wenn es unstatthaft ist?
sobald man darunter unser gesammtes geistiges Leben versteht, ihr einen besonderen Sitz zuzuweisen
, dieses Geistige als notwendiger Begleiter Aller Materie vielmehr in verschiedenen Abstufungen
über unseren ganzen Körper verlheilt ist, so steht es damit anders, wenn man unter Seele das
Gefühl der Persönlichkeit versteht.

Hier verweiset uns die Erfahrung auf die Nervenmasse und namentlich auf das Gehirn. „Das
Nervensystem ist überhaupt der eigentliche Leib unseres Ich, die anderen Theile sind der Leib dieses
Leibes, die nährende und schützende Borke seines zarten Markes." Es ist das Prinzip der Einheit
und Sympathie in unserem Körper, der Träger der Harmonie und des Gleichgewichts unserer Maschine
und damit auch der erste Regulator der Gesundheit. Von allen seinen Theilen ist aber das
Hirn der Mittelpunkt, von welchem diese Thätigkeiten ausgehen und wohin sie zusammenfliessen. Alles
arbeitet im Grunde für Hirn und Nervensystem. Der Auszug aller feinen Lebenssäfte, welche die
Verdauung aus Speise, Trank und Luft bereitet und die als Blut auch die Nervenmasse durchströmen,
schlägt sich als Nervensubstanz nieder, die, wie sie aus den edelsten Stoffen entstanden ist, ihrerseits
das Geschenk in veredelter Gestalt zurückgiebt und die ganze thierische Maschine mit ihrem Nerven-
geislc durchdringt, belebt, regiert und zusammenhält, so dass die Einheit und Vollkommenheit des
Lebens gleichen Schritt hallen mit der Entwicklung des Nervensystems. Unter allen Theilen ist das
Gehirn das Thier, ja der eigentliche Mensch in unserem Körper. Mit der Ausbildung dieses höchsten
Centrum des Nervensystems wird daher auch diejenige Einheit der Empfindungen erst möglich, welche
wir das Gefühl der Persönlichkeit oder des Ichs nennen.

Versteht man also unter Seele das Gefühl einer persönlichen Existenz, das Selbstbewusstseyn,
so ist der Sitz dieser Seele ohne Zweifel das Gehirn. Sobald mit der Geburt im kindlichen Körper
die lebendigere Thätigkeit des Gehirns erwacht, hebt auch beinahe plötzlich dieses persönliche Be-
wusslseyn an, und an jenen missgebildelen Kindern, welche doppelt zur Welt kommen, doppelle zusammengewachsene
Leiber haben, da treten die Zeichen eines doppelten Ichs nur dann entschieden
hervor, wo das Kind zwei Köpfe hat oder auch nur zwei Hirne, die in einer Art von Kopf eingeschlossen
sind. Nicht nur, dass der eine Kopf dann vielleicht einalhmet, während der andere das
Ausathmen besorgt, der Eine vielleicht schläft, wenn der Andere wacht, der Eine errölhet, wenn der
Andere crblasst, der Eine weint auch wohl, während der Andere lacht, und beide Köpfe fragen einander
um Rath oder gerathen in Streit mit einander *).

1) K. W. Stark, Pathologische Fragmente. Weimar, 1825. Bd. 2. S. 101. Th. Bartholinus, Hist. anat. Cent. 1. Bist. 66,
wo der Geuueser Lazarus Colloredo mit dessen bloss aus einem Kopf und Brust bestehenden Halbbruder beschrieben und abgebildet
wird. Ferner Buchanan's vom Nabel aufwärts doppelte Missgeburt, welche einen völlig verschiedenen Willen hatte, in

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