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Vorwort.
Im ersten Buche von Vitruvs de Architectura
ist uns eine antike Schönheitslehre erhalten, die bis jetzt
noch nicht genügend berücksichtigt wurde. Weder Müller
in seiner Theorie der Kunst bei den Alten, noch
Walter in seiner G-eschichte der Aesthetik im
Altertum haben erkannt, dass diese Auseinandersetzungen
eine einheitliche Künstlertheorie bilden, aus
der trotz ihrer Kürze mehr über die künstlerische Arbeitsmethode
des Altertums zu lernen ist, als aus der verstümmelten
Aristotelischen Poetik. Nur Puchstein hat
in seinem Aufsatz: Architectura im Reallexikon von
Pauly-Wissowa auf die Wichtigkeit dieser Kapitel hingewiesen
: „In welcher Weise das Altertum den Umfang
der Architektin' und die Aufgaben des Architekten bestimmt
habe, ist uns im Zusammenhange nur von Vitruv
überliefert. Da dieser Schriftsteller augenscheinlich nach
griechischen Quellen gearbeitet hat, bietet uns seine Darstellung
zweifellos die Anschauungen, die sich in Griechenland
über das Wesen der Architektur gebildet hatten
und in der für uns gänzlich verschollenen griechischen
Fachliteratur vorgetragen worden waren" (Bd. II, Sp. 543).
Diese aesthetische Lehre, welche uns hauptsächlich
in der Form von sechs Kategorien gegeben wird, bietet
aber beim Uebersetzen manche Schwierigkeit. Vitruv
sagt, dass schon zu seiner Zeit das Schreiben über Bau-
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