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nur in der Musik gibt es Anstand und Unanständigkeit,
sondern auch in der Malerei, der Webekunst, der Buntfärberei
, der Baukunst, in der Herstellung von Geräten,
ja auch in der Beschaffenheit eines Körpers oder eines
andern Gewächses, und überall ist die letztere mit
schlechtem Rhythmus, schlechter Harmonie, schlechter
Ausdrucksweise und endlich schlechter Gesinnung ver-
schwistert, während erstere überall die Nachbildung
(pii(i7][Aa) des Entgegengesetzten ist (Staat 400 C. D.E. 401).
Nicht nur die Dichter müssen also beaufsichtigt werden,
auch bei andern Arbeitern muss man verhindern, dass
sie, was von schlechter Gesinnung zeugt und zügellos,
unfrei oder unanständig ist, sei es in Abbildungen von
lebenden Wesen, sei es in Gebäuden oder in irgend
einem andern Werk, anbringen (Staat 401 B).
Wir haben diese Stelle, obwohl hier von zö.iiq nicht
geredet wird, ausführlicher besprochen, um zu zeigen,
wie viele verschiedene Künste Plato als gleichartig in
Aufbau oder Zusammensetzung betrachtet. Ein Tuch,
ein Körper, ein Gemälde, ein Lied, ein Haus, ein Gedicht
werden alle nach, demselben Schema zu Nachbildungen
einer edlen Gesinnung. Zu einem Mimema braucht es
also keineswegs immer eines sichtbaren Urbildes.
Wir können, da die Untersuchung in ihrem weiteren
Verlauf nichts für uns Wichtiges ergibt, hier abbrechen
und ans Buch X zuwenden, wo Plato noch einmal auf
die Frage zurückkommt, inwieweit das Mimetische im
Staate brauchbar ist.
Ausdrücklich wird auch hier schon im Anfang des
Buches gesagt, dass Tragödiendichter und andere nachahmende
Künstler (|U(i7]Ttxoi) nur gefahrlich sind für solche,
die nicht das Heilmittel besitzen, dass sie wissen, wie
sich die Dinge in Wirklichkeit verhalten (Staat 595 B).
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