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bemerkt er, dass ihre Scheide viel räumlicher ist als das Rückenmark, und dass zwischen ihr und dem Wirbelkanal
ein reichliches zelluläres und fettiges, viele Venen enthaltendes Gewebe vorhanden sei.
Haller der sich auf das gesammte Wissen seiner Zeit stützte, schildert die Arachnoidea spinalis als
eine sehr dünne, aber doch feste, zusammenhängende, von der Pia mater vollständig getrennte Membran, die vom
Rückenmark weit absteht, die zwar in der Halsregion mittelst zellulösen Gewebes der Pia anhaftend gefunden wird,
in der Lumbairegion aber freier ist. Hier findet sich nicht selten, am Foetus doch öfter, ein wenig Wasser, als dessen
Quellen Haller die kleinen Arterien der Dura spinalis ansieht. »Ich zweifle nicht)) sagt er hier, »dass das angesammelte
Wasser aus den Hirnventrikeln bis dahin hinabsteigen kann.)) Nach oben geht die Ar. spül, um den Pons in
die Arachnoidea cerebri über. Diese ist viel mehr mit der Pia verwachsen, geht aber nie in die Furchen hinein,
sondern überbrückt dieselben und enthält nie Blutgefässe. Wenn man sie durch ein gemachtes Loch aufblässt,
steigt sie von der Pia herauf und erhebt sich zwar in Blasen; sie ist aber durch feine zellulöse Fasern an die Pia
geheftet; grössere Höhlen entstehen nur an solchen Stellen, wo die Fasern sparsamer sind. Dergleichen Fasern
heften auch innerhalb der Arachnoidea in den Furchen die einander zugekehrten Flächen der Windungen zusammen.
»In diese Höhlen wird nicht selten Wasser ergossen, wie ich selbst gesehen habe, und zuweilen, aber seltener, Fett».
Die Arachnoidea cerebri kann nicht als das äussere Blatt der Pia aufgefasst werden, noch entsteht aus ihr die Hülle,
welche die Gehirnventrikel bekleidet. Am Rückenmark bildet die Arachnoidea eine Scheide um die einzelnen Nerven.
Die Pia mater folgt aber der Fläche des Gehirns und dringt mit ihr in alle Furchen hinein. In den vorderen
Ventrikel (ventriculus anterior 2) geht sie überall vom hinteren Gehirnlappen hinein, und als Verum trianguläre ausgespannt
, legt sie sich schön gefässreich, breit über Eminentiaä quadrigeminae, Conarium, Thalami optici, an den Seiten
in die Plexus chorioidei übergehend. Die Pia mater cerebri empfängt sehr zahlreiche Blutgefässe, sei es, dass sie
doppelschichtig ist, oder vielmehr, dass ein sehr feines Zellgewebe die Gefässe zusammenbindet. Längs dem Rückenmark
wird die Pia mater durch das Ligamentum denticulatum an die Dura mater geheftet. Zwischen der Dura
und der Arachnoidea wird ein sehr sparsamer Thau (ros) ausgedünstet, welcher die betreffenden Flächen feucht
erhält. In den Ventrikeln findet sich nach Haller ein Dampf (vapor). »Dass nicht das Dach des Ventrikels mit
dem Boden verwachse, wird durch den Dampf erreicht, welcher überall von der bekleidenden Membran des Ventrikels
und von den sog. Plexus ausdünstet, und der mit einer mässigen Feuchtigkeit (mador) die ganze innere hohle Oberfläche
benetzt. Weil aber diese Ausdünstung (halitus) mässig ist, sammelt sie sich nicht immer zu Wasser, und
sie mangelt zuweilen den frischesten und unbeschädigsten Leichen. Dies hat sie mit dem Wasser des Pericardium
und mit der Ausdünstung der Pleurahöhle und des Abdomens gemein». »Im lebenden Thier dünstet aber ein
deutlicher Dampf (fumus), sei es aus der Aussenfläche des Gehirns oder aus der Ventrikelhöhle, aus. Es ist
offenbar, dass dieses Wasser aus den Arterien ausdünstet, weil eine dünne Flüssigkeit, in die Arterien eingetrieben,
von der ganzen Oberfläche der Ventrikel exsudirt, ein Experiment, welches ich oft wiederholt habe. Oft sah ich in den
Ventrikeln, wie ich erwähnt habe, gefärbte Leimabgüsse, wenn ich die Arterien injicirte. Ebenso klar ist es, dass
diese Flüssigkeit (humor) von den Venen resorbirt wird. Denn, wenn ich ein reines oder gefärbtes Wasser oder in
Weingeist aufgelösten Leim in die grösseren venösen Stämme trieb, exsudirte ebenso deutlich von derselben ganzen
Oberfläche die durchdringende Flüssigkeit wie sie durch die Arterien ausdünstete.» »So oft aber die Venen in ihrem
Dienste erschlaffen — wie in den chronischen Krankheiten der Fall zu sein pflegt — häuft sich die gesammelte Flüssigkeit
zu Wasser an und spannt sogar die Ventrikel des Gehirns mit einer bemerkenswerthen Masse aus. Bei Apoplecti-
schen, Soporösen, Phrenitischen, Convulsiven, Paralytischen, in epidemischen Fiebern findet sich reichliches Wasser
in den Ventrikeln; noch mehr sogar bei Hydrocephalus. Bei einem hy dropischen Gehirn finde ich, dass 113 Unzen,
und in den Ventrikeln gelegentlich ein, zwei, drei, vier, neun, dreizehn Pfunde (libras) gesehen sind. Es scheint diese
Ausdünstung, wie andere Feuchtigkeiten, eine kleine Zeit nach dem Tode aus den Arterien gebildet zu werden; deswegen
findet man einige Stunden nach dem Tode viel Wasser in den Ventrikeln. WTenn man sie an einem eben geöffneten
Thiergehirn abwischt, wird sie neu producirt. Die alten, die sie oft gefunden, sahen sie als das pituitöse Excrementum
des Gehirns an. Ihr Wesen ist gelatinös, und durch Einwirkung von Mineralsäuren, Weingeist oder Feuer bildet sie Membranen
». So finde sich z. B. im Zellgewebe der Arachnoidea eine albuminöse coagulable Flüssigkeit. Der dritte Ventrikel
communicirt nicht mit den Seitenventrikeln (v. anteriores), sobald nämlich Alles unbeschädigt ist, denn wenn diese
*) Elementa physiologise corporis humani. T. IV. Lausanne 1762. 2) Mit dem Ventriculus anterior scheint Haller hier
sowohl die Seitenventrikel (v. ant. laterales) als den dritten Ventrikel (ventriculus anterior medius s. v. tertius) zu meinen; sonst meint
er mit den Ventriculi anteriores gewöhnlich die Seitenventrikel.
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 2
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