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mit Wasser gefüllt sind, findet man ihn leer, und er wird durch den sog. Plexus impositus begrenzt. Mehrere
ausgezeichnete Männer, wie Winslow, Vieussens, Marchett, Lieutaud, Varolius erkennen indessen eine solche Com-
munication. Durch das Infundibulum ist nach Haller im frischen Zustand auch kein Weg für die Flüssigkeit nach
aussen. An dem vierten Ventrikel scheint er dagegen einen Abfluss nach aussen zuzulassen; so sagt er, dass die Flüssigkeit
des vierten Ventrikels schwerlich ganz und gar in den dritten Ventrikel und das Infundibulum sich begeben möchte,
»weil sie dann nach oben gegen ihre Schwere hinaufsteigen müsse)). Indessen scheint er eine Oeffnung des vierten
Ventrikels nach unten anzunehmen. Er sagt nämlich von dem Plexus chorioideus desselben, dass »an dem Ort,
wo er aus dem Ventrikel hervortritt, das Wasser leicht in den herumliegenden Raum des Rückenmarks sich begiebt».
Vom Plexus sagt er sonst, dass er an den Seiten des unteren Vermis hinabsteigt und an der Basis des Gehirns
unbedeckt erscheint, zwischen dem siebenten und achten Nervenpaar, hinter dem siebenten. Nach Haller ist die
Dura membrana am Rückenmark hinten und an den Seiten von einem öhrigen, feuchten, in kleinen Partien angesammelten
Fett umgeben; vorn findet sich ein mehr mageres, wirkliches Zellgewebe; die Dura spinalis beginnt oben
wie ein .Trichter erweitert; am obersten Theil des Halses ist sie weiter und platter, am mittleren mehr zusammengezogen
, am unteren wieder weiter zwischen dem fünften und achten Wirbel; von da ab zieht sie sich zusammen,
ist viel enger in der Dorsalregion, am untersten Theil des Rückens wieder weiter, am weitesten am ersten Lendenwirbel
, dann verengt sie sich allmählig zu einem blinden konischen Ende. Die Dura des Gehirns kann, wenn auch
nicht ohne Bedenken, als aus zwei Schichten zusammengesetzt aufgefasst werden. Die äussere ist das Periost des
Schädels und hängt innig mit ihm zusammen. Haller giebt eine Beschreibung von der Anordnung der Fasern sowohl
in der äusseren als in der inneren Schicht der Dura und bespricht die Cribrirung derselben an den Stellen,
wo die Pacchionischen Drüsen sitzen.
Cotugno1) wurde der eigentliche Entdecker der äusseren Cerebrospinalflüssigkeit. Mit ihm beginnt auch die
nähere Kenntniss der serösen Räume des Gehirns. Seine Darstellung ist summarisch folgende. Die Cavitas spinalis ist
viel räumlicher als das Rückenmark, d. h. es giebt um dasselbe ein Raum; dieser Raum wird nur zum Theil von der
Dura mater eingenommen. Zwei besondere Räume befinden sich, der eine ausserhalb, der andere innerhalb der Dura.
Der äussere, also zwischen der Dura und den Wirbeln befindliche, wird immer von einem Zellgewebe (farcimen cellulo-
sum) erfüllt, welches weich, flüssig und fetthaltig ist; bei Kachectischen ist es aber ein schleimiger Dampf (vapor mu-
cidus), bei Hydropischen ein wirklicher Schleim (mucus verus), bei Kindern, welche während einer schweren Entbindung
verstorben sind, ein blutiger Dampf (sanguineus vapor). »Der Raum aber, welcher zwischen der Scheide der .
Dura mater und dem Rückenmark liegt, ist immer und ganz erfüllt: zwar nicht durch das Rückenmark selbst, welches
dann während des Lebens geschwellter sein sollte, auch nicht durch einen dampfigen Dunst (nubes vaporosa), was
in dieser noch dunkler] Sache ausgezeichnete Männer glauben; sondern durch Wasser (aqua), ähnlich demjenigen,
welches das Pericardium um das Herz enthält, welches die Höhlen der Hirnventrikel erfüllt, welches das Gehörlabyrinth
und endlich auch die übrigen, der freien Luft nie zugänglichen Körperhöhlen einnimmt)).
Dieses Wasser findet sich indessen nicht nur um das Rückenmark vom Occiput bis zum Os sacrum, sondern
es füllt auch im Schädel selbst alle Zwischenräume zwischen dem Gehirn und der Dura mater. Einige solche Zwischenräume
sind immer unter der Gehirnbasis vorhanden; es pflegt auch nicht selten zu sein, dass zwischen dem übrigen
Gehirnumriss und der Dura mater ein ausgeprägter, ganz deutlicher (insigne) Zwischenraum sich findet. Dies pflegt
bei Kachectischen und im Alter besonders zu geschehen; in diesen Zuständen zieht sich das Gehirn zurück, und der
Raum wird dann von einem wässerigen Dampf (aquosus vapor) erfüllt. Dass man diese grosse Wasseransammlung nicht
früher wahrgenommen hatte, beruht auf der Weise, in welcher man gewöhnlich das Gehirn untersuchte. Man pflegte
nämlich den Kopf vom Rumpfe abzutrennen; dabei fliesst die ganze Flüssigkeit (humor) von den Gehirnfurchen ab, und
dies eben durch den grossen Zwischenraum, welcher an der Schädelbasis zwischen der Pia und Arachnoidea vorhanden
ist, wo sie zum Rückenmark herabsteigen. Statt der am abgetrennten Kopf auf diesem offenen Weg abgeflossenen
Flüssigkeit dringt aber Luft hinein und erscheint dann bei der Untersuchung in Blasenhaufen unter der Arachnoidea.
Um aber die Flüssigkeitansammlüng deutlich wahrzunehmen, muss man anders verfahren. Man errichte den Kopf der
Leiche, trenne die Integumente ab und schneide sehr vorsichtig das Schädelgewölbe horizontal hindurch. Dann nehme
man die Dura weg und entblösse so das Gehirn. Wenn man dann die vorderen Gehirnlappen hebt, sieht man das
Wasser hervorquellen; und wenn das übrige Gehirn erhoben wird, sieht man den Raum unter der Vereinigung der
) De ischiade nervosa comraentarius. Viennsc 1770.
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