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Boll will es doch »keineswegs für unmöglich halten, dass an einzelnen Strecken und Stellen der Bindegewebs-
bündel, wo die Substanz der Scheide an Zellen ärmer ist und nur feinstreifig, ja fast structurlos erscheint», die Einschnürungen
gemäss der Luschka—Reichert'schen Auffassungsweise durch Einreissen einer Scheide und Zusammenschnurren
ihrer Bruchstücke zu einzelnen Reifen entstehen können. Es kommen nämlich ausserordentlich grosse
Schwankungen in Bezug auf die Derbheit und auf den Zellenreichthum vor. An den Bündeln der Basis cranii, besonders
an denen feineren Calibers, finden sich »grosse Stellen und ganze längere Strecken, wo der Scheide ausser
der Andeutung einer leichten Streifung kaum irgendwelche Structur abzugewinnen ist und wo die sternförmigen
Zellen, aus deren Verschmelzung an andern Stellen die ganze Substanz der Scheide zusammengesetzt erscheint,
sehr selten oder fast gar nicht wahrzunehmen sind».
Boll kann aber ebenso wenig »der Ansicht von Rollett direkt widersprechen, welche ein ganz entgegengesetztes
Princip zur Erklärung dieser Erscheinungen heranzieht», dass nämlich eine structurlose Scheide an den
Bündeln nicht existire, dass dagegen die Einschnürungen durch ein umspinnendes Netzwerk glatter Balken entstehen.
Bilder sind, nach Boll, nicht selten, die für ein wenigstens theilweise Durchbrochensein und Fehlen der Scheide zu
sprechen scheinen. Ferner kommen Bilder, wenn auch verhältnissmässig recht selten vor, welche dafür zu sprechen
scheinen, dass die Zellen der Scheide Fortsätze auch in das Innere des Bündels hineinschicken. Einzelne in der
Längsachse der Bündel verlaufende elastische Fasern sind ein fast regelmässiges Vorkommniss. »Nicht selten zeigen
diese Fasern eine feine kernhaltige Anschwellung. Sonst sieht man in dem Inneren speciell der feineren Bündel keine
Spur einer Zelle oder eines Zellenrestes». Es finden sich auch Bilder, wo eine ziemlich regelmässige, mehr oder
minder vollständige Lage von abgeplatteten Zellen die Bindegewebsbündel bekleidet, sowie Uebergänge, die dieses
Structurverhältniss mit dem oben geschilderten verknüpfen. Unter Hinweisung auf seine Figuren äussert Boll:
»Man überzeugt sich, dass die abgeplatteten polygonalen Zellen, die das Bündel unvollständig bekleiden, nicht etwa
als heterogene Elemente auf der structurlosen Scheide aufsitzen, sondern dass sie wirklich integrirende Bestandtheile
derselben darstellen und also ganz den sternförmigen Zellen vergleichbar sind. Manche dieser polygonalen Zellen
erscheinen an ihren Ecken sogar in deutliche Streifen ausgezogen, die in die Substanz der Haut übergehen». Betreffs
solcher Bündel, die eine sehr reichliche Bekleidung von diesen abgeplatteten Zellen zeigen, äussert Boll, dass
es sich im einzelnen Falle nie sicher entscheiden lasse, ob die Zellen das Bündel vollständig oder nur unvollständig
umhüllen, ob also die fibrilläre Substanz an einzelnen Stellen auch bloss zu Tage liegt. »Doch ist es mir», sagt er,
»im höchsten Grade wahrscheinlich, dass die aus diesen abgeplatteten Zellen zusammengesetzte Hülle nicht immer
eine vollständige ist».
Parallel mit der Form der Zellen an den Bindegewebsbündeln schwankt auch der Protoplasmagehalt. Während
die rundlichen Zellformen ein deutliches körniges Protoplasma zeigen, ist dasselbe bei den mehr abgeplatteten Formen
fast völlig verschwunden und an die Stelle desselben eine klare elastische Platte getreten. Körniges Protoplasma
befindet sich indessen noch in ziemlicher Menge an den abgeplatteten Zellen der Bündel der Basis cerebri. Gänzlich
oder fast gänzlich ist es verschwunden in den elastischen Platten der Mehrzahl der Bündel am eben angeführten Ort.
An der Pia hat er nicht selten Bündel gefunden, an welchen kleine rundliche grobkörnige protoplasmatische
Zellen anhaften, ebenso wie Uebergänge von diesen zu den »abgeplatteten polygonalen Zellen» vorkommen, weswegen
es schwierig ist zu entscheiden, welche Wanderzellen, welche fixe Endothelzellen sind. Versuche auf dem heizbaren
Objecttisch Hessen indessen niemals amöboide Bewegungen an den fraglichen Zellen constatiren, so dass diese Frage
»noch eine offene» blieb.
Goloi *) fand nach Erhärtung von Gehirnstücken in Ueberosmiumsäure (von 1/2—1 %\ dass in der That keine
perivasculäre Räume im Sinne von His und keine pericelluläre Räume vorhanden sind. In der grauen Hirnrinde sah
er eine grosse Anzahl rundlicher, ovaler oder auch sternförmiger selten, anastomosirender Zellen durch das Gewebe
zerstreut liegend, von denen nach verschiedenen Richtungen zahlreiche sehr lange, sehr feine und niemals verästelte
Fortsätze ausgehen. Die Mehrzahl dieser Fortsätze geht zu den Gefässen (Capillaren oder noch mehr Gefässen
mittlerer Dimensionen) und inserirt entweder direct an der Gefässwand (bei den Capillaren) oder an der Lymphscheide
(bei den grösseren Gefässen). Am grössten ist der Reichthum an diesen Zellen an der Oberfläche der Gehirnrinde
unmittelbar an der Pia mater selbst, wo sie ein eigenes Faserstratum bilden. Dass die Perivascularräume künstlich
entstanden seien, wird auch durch die Injection bewiesen. Injicirt man durch den Subarachnoidalraum die Lymph-
l) Bivista clinica. Novembre 1871. Hier ist meistentheils das Referat im Centralblatt f. d. med. W. 1872, 25 Maj, N:o 21,
benutzt.
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