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Aus diesen Versuchen schliesst Quincke 1. Ein Zusammenhang' existirt zwischen den Subarachnoidalräumeü
des Hirns und Rückenmarks. 2. In der Subarachnoidalflüssigkeit findet während des Lebens eine Strömung- sowohl
von hinten nach vorn, wie in umgekehrter Richtung statt. Der aufsteigende Strom vom Rückenmark zum Gehirn
scheint im Allgemeinen stärker zu. sein als der absteigende. 3. Zwischen dem Arachnoidalraum und den Sub-
arachnoidalräumen müssen in der Arachnoidea Communications-Oeffnungen vorhanden sein. Der Flüssigkeitsstrom
ist im Leben vorwiegend von dem ersteren nach den letzteren gerichtet, 4. Die Abflusswege der Cerebrospinal-
flüssigkeit sind die abgehenden Nervenscheiden und die cervicalen Lymphdrüsen. Die Pacchionischen Granulationen
können als Filtrationsapparate dienen, welche Flüssigkeit wohl durchlassen mögen, feste Theilchen aber
zurückhalten.
Die beständige Bewegung der Flüssigkeit muss die Ausbreitung pathologischer Producte, z. B. bei eitriger
Meningitis, begünstigen. Quincke erhielt am Opticus nie Bilder, welche unserer Beschreibung eines Subdural- und eines
Subarachnoidalraums entsprachen, so dass er unentschieden lässt, ob der Arachnoidalraum (Subduralraum) des Gehirns
eine Fortsetzung nach dem Opticus hin entsendet oder dessen Communication dahin nur durch die Subarachnoidal-
räume vermittelt wird. In der Substanz der äusseren Sehnervenscheide fand er oft Zellen mit Zinnoberkörnchen.
In die Ventrikel hinein kann der Flüssigkeitsstrom dem negativen Befunde der Injectionen zufolge nicht
stattfinden, ebensowenig ein abwechselndes Aus- und Einströmen. Wenn aber Zinnoberemulsion direct in die Seitenventrikel
lebender Hunde gebracht wurde, gelangte sie in die Subarachnoidalräume hinaus. Offenbar müssen deswegen
offene Abflusswege hier existiren. Beim Hunde konnte Quincke eine praäexistirende, gut begrenzte Oeffnung
in der Tela chorioidea posterior nicht finden; die Verbindungswege dürften aber in den Zwischenräumen der Binde-
gewebszüge der Pia zu suchen sein. Daraus dass die Anordnung der Bindegewebsbündel bei verschiedenen Species
und Individuen variirt, dürfte sich die Verschiedenheit in den Angaben der Autoren erklären lassen. Es scheint
ein natürlicher Flüssigkeitsstrom von den Seitenventrikeln aus durch den dritten Ventrikel und den Aquaeductus Sylvii
in den vierten Ventrikel und weiter in das Subarachnoidalgewebe stattzufinden, nicht aber in entgegengesetzter Richtung.
Das Magendie'sche Loch ist auch nichts anderes als eine variable, manchmal nicht darstellbare Bindegewebsliicke.
Auch in der Umgebung der V. magna Galeni, wo das Subarachnoidalgewebe lockrer ist, scheint der Ventrikel mit den *
Subarachnoidalräumen zu communiciren (nicht zu verwechseln mit dem artificiell entstandenen sog. Bichat'schen Loch).
Wolfring1) fand bei Injectionen vom Arachnoidalraum (Subduralraum) des Gehirns von Kinderleichen aus wohl
ein Eindringen der Masse »zwischen beiden Sehnervenscheiden)), nicht aber bis in die innere Scheide und zwischen
die Bündel des Sehnerven. Bei directer Injectioii zwischen die beiden Scheiden füllte sich der Zwischenraum schnell an.
W'olfring umwickelte den Sehnerven mit dichten Faserwin düngen, um die grosse Anschwellung der äusseren Scheide
zu verhindern. Bei nachheriger Injection drang die Masse in die Substanz der Sclera selbst ein und füllte in derselben
eine Art von Gefässring um die Siebplatte herum, von dem aus kleine Stämmchen stellenweise gegen den
Nerven sich zu wenden schienen. Bei Einstichinjection in die Nervensubstanz-wurden nur negative Resultate erhalten.
Dagegen gelang es Wolfring bei Einstich unmittelbar unter der Oberfläche de]- inneren Nervenscheide, ein deutliches
Netz bestimmt begrenzter Canäle um die Nervenbündel herum und noch ein anderes damit anastomosirendes, nur
mehr dichtes Netz in der Siebplatte zu injiciren. Ihre Verbreitung im Nerven entspricht ganz der des Bindegewebes
und somit auch der der Blutgefässe. Ein gleiches, ziemlich regelmässiges Netz existirt auch an der inneren Fläche
der inneren Sehnervenscheide. Dies communicirt einerseits mit den obigen Netzen, andererseits sammelt es sich in
grössere, nach aussen von der Scheide sich öffnende Stämme. In der Siebplatte existiren nur solche Theile des
Bindegewebes, welche dem Perineurium des Sehnerven und den darin sich verzweigenden Blutgefässen angehören.
Nach Michel 2) steht, wie seine Injectionsversuche erweisen, am Opticus der »subvaginale)) Raum (Schwalbes)
mit dem ))supravaginalen)) Räume durch spaltförmige Lücken in der äusseren Opticusscheide in Communication, durch
die gleichen Lücken in der Sclera mit dem Perichorioidalraum. Letzterer steht durch die perivaseulären Räume um
die Vena? vorticosse mit dem Tenonschen Räume in Verbindung. Die Spalten der äusseren Opticusscheide und Sclera
sind mit Endothelplatten ausgekleidet und mögen als Bahnen zu betrachten sein, welche der Bewegung der Lymphe
zu Gebote stehen. Beim Menschen wurden die Injectionen so gemacht, dass die Canüle in den Raum zwischen
äusserer und innerer Opticusscheide eingeführt wurde. Der Perichorioidalraum wrurde dabei nicht in toto, sondern
nur stellenweise injicirt. Die Färbung der Injectionsflüssigkeit schien nur von einer, sei es der äusseren, inneren,
*) Archiv f. Öphthalm. Jahrg. 18. Abth. II. 1872.
2) Archiv f. Öphthalm. Jahrg. 18. Abth. I. 1872.
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