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also erstens die obige Schilderung des Subduralraums als eines ganzen, zusammenhängenden und in allem Wesentlichen
über Gehirn und Rückenmark gleichen Raumes bestätigt. Die nächste wichtige Frage ist nun diejenige: Steht dieser
Raum in offenem Zusammenhang mit den Subarachnoidal räumen, wie in letzterer Zeit von mehreren Verfassern
(Schwalbe, Quincke, Henle) angenommen wird, was wir dagegen, wie auch vorher Luschka, verneint haben.
Betreffs dieser Frage mögen ja die Injectionen entscheidend sein. Sie scheinen auch deutlich darzulegen, dass keine solche
Oeffnungen vorhanden sind. Wenn nicht die Arachnoidea auf die eine oder andere Weise beschädigt ist, haben wir,
sogar bei starkem Druck, sowohl bei Menschen als bei Hunden, Katzen und Kaninchen, die vollständigste Füllung
des ganzen Subduralraums, ebenso wie Injectionen von demselben aus in die abführenden Bahnen erhalten, ohne •
dass ein einziger Tropfen der Injectionsflüssigkeit in die Subarachnoidalräume eingedrungen ist. In Uebereinstimmung
damit erhält man andererseits die vollständigsten Subarachnoidalinjectionen mit Ausspannung der Subarachnoidalräume,
ohne dass ein Tropfen durch die Arachnoidea in den Subduralraum hinausdringt. Bei Stichinjectionen in die Subarachnoidalräume
des Gehirns sieht man auch wie die Flüssigkeit fortläuft, ohne bei unbeschädigter Arachnoidea
auf die Oberfläche auszutreten. Bei Injectionen von den Ventrikeln des Gehirns aus, wovon unten die Rede sein
wird, sieht man ebenso sehr gut, wie die Flüssigkeit sich über die Oberfläche des Gehirns ausbreitet, ohne irgendwo
durch die Arachnoidea zu dringen, bis sie den gemachten Schnittrand erreicht. Die oben angeführte Aeusserung
Schwalbes, dass die Injectionsmasse vom Arachnoidalraum leicht in die subarachnoidalen Räume eindringt, sowie die
Angabe Quinckes, dass, wenn Zinnoberemulsion in den Arachnoidalraum eingespritzt wird, der Zinnober nach wenigen
Tagen aus diesem Raum grösstentheils verschwindet, sich aber in den Subarachnoidalräumen und der Pia des Gehirns
findet, gerade wie nach directer Einspritzung in diesen Raum, sind, soweit wir gefunden haben, die einzigen, auf
Erfahrung und Experimente gegründeten Stützen für die Ansicht, dass der Subduralraum in offener Verbindung
mit den Räumen unter der Arachnoidea stehen soll. Da, wie erwähnt wurde, die Resultate unserer Injectionen ganz
anders ausfielen, schienen uns diese Angaben der geehrten Forscher darauf zu beruhen, dass sie auf die eine oder
andere Weise die Arachnoidea verletzt haben, wie es ja so leicht geschehen kann, auch wenn nicht die Canüle selbst
durch diese Haut geführt wird. Schwalbe hat nicht näher angegeben, wie er seine Injectionen ausgeführt hat.
Quincke machte aber Einstich mit spitzer Canüle durch die Dura in den Subduralraum; dass dabei eine Verletzung
der Arachnoidea schwer zu vermeiden ist, ist leicht begreiflich; nachher kann es eine schwierige Aufgabe werden,
die Läsionsstelle zu finden. Auch ist es natürlich, dass Quincke an den Thieren, bei welchen er angenommen hat,
dass die Masse zuerst im Subduralraum gelegen und dann durch die Arachnoidea von sich selbst in die Subarach
noidalräume eingedrungen sei, nicht durch directe Beobachtung controlliren konnte, dass sie wirklich zuerst in
jenem Raum sich befand. Quincke giebt auch nicht an, in wie vielen Fällen er zu dieser Annahme Veranlassung
zu finden geglaubt hat. Da wir schon bei unseren ersten Untersuchungen in dieser Richtung eine Reihe von Sub-
duralinjectionen an lebenden Thieren ausführten, erhielten wir, bei unbeschädigter Arachnoidea, nie einen Uebergang 4-
der Flüssigkeit in die Subarachnoidalräume. Als die Arbeit Quincke's erschien, machten wir von Neuem solche Injectionen
mit Zinnoberemulsion vom Subduralraum des Gehirns aus. Die Thiere (Hunde und Kaninchen) wurden nach
2 bis 3 Tagen getödtet. Die Injection war rein subdural. Die Resultate stimmten vollständig mit unseren vorigen
sowohl an lebenden wie an todten Thieren und an Menschenleichen ausgeführten überein. Die Injectionsmasse befand
sich noch im Subduralraum; grösstentheils war sie über dem Gehirn selbst geblieben; nicht das Geringste davon war in
die Subarachnoidalräume eingedrungen. Noch einige Gründe können hier angeführt werden, welche gegen das Vorhandensein
von Oeffnungen in der Arachnoidea sprechen. Wenn man den Schädel einer Menschenleiche vorsichtig
geöffnet, die Dura an den Seiten mit einer Scheere aufgeschnitten und von der Hirnoberfläche zurückgeschlagen hat,
so findet man ja eben in solchen Fällen, wo ein starkes, natürliches sog. Oedema meningum (d. h. wenn die Subarachnoidalräume
durch Cerebrospinalflüssigkeit stark ausgespannt sind) vorhanden ist, dass diese Flüssigkeit nie über
die Oberfläche der Arachnoidea heraustritt; ja man kann sie sogar unter der Arachnoidea verschieben, ohne dass
sie hindurchdringt. Wenn in der That derartige natürliche Oeffnungen vorhanden wären, welche eine Injectionsflüssigkeit
vom Subduralraum in die Subarachnoidalräume und umgekehrt leicht einzudringen liessen, so wäre das eben
erwähnte Verhalten wohl nicht möglich. Einen anderen Beweis erhält man, wenn man bei lebenden Thieren an einer
kleinen Fläche die Dura öffnet, ohne die Arachnoidea zu verletzen. Diese wird dann durch die Subarachnoidalflüssigkeit
in die Oeffnung der Dura blasig hervorgepresst und bleibt dort ausgespannt, ohne ihren Inhalt zu durchlassen. Zuletzt
mag noch bemerkt werden, dass wir, ebensowenig wie andere Forscher, nie etwaige natürlich vorhandene Oeffnungen
in der Arachnoidea des Gehirns und Rückenmarks direct wahrgenommen haben, obwohl wir bei Menschen wie bei
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