http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/key1875-1/0085
69
Auf der Tafel 3 findet man in der Fig. 3 bei x eine ganz ähnliche nur etwas kleinere OefFnung um den Eintritt der
Vena ophthalmo-meningea Hyrtl herum in der Fossa Sylvii. Auch diese OefTnung, welche hier leicht zur Ansicht zu
bekommen sein pflegt, konnte zur Annahme der Existenz einer entsprechenden canalförmigen Verlängerung des Sub-
duralraums wie der des Canalis Bichati Anlass geben. Zuweilen gelingt es, wenn man in beschriebener Weise das
Tentorium und das Gehirn ausnimmt, Berstungen um die Vena Galeni zu vermeiden; man findet dann die Arachnoidea
unzerrissen, am Tentorium um die Vene herum sich befestigend und das falsche Foramen Bichati verschliessend.
Am sichersten lässt sich die Befestigung der Arachnoidea an der Dura um die Vena magna darstellen, wenn man
mit dem Gehirn in situ nach Abtragen des Schädeldachs successive die hinteren Theile der grossen Hemisphären,
am besten beiderseits bis zum Tentorium hinab wegschneidet und auf diese Weise, ohne etwaige Zerreissungen zu
verursachen, die fragliche Stelle entblösst. Auch bei einem derartigen Verfahren kann oft den Berstungen nicht
entgangen werden; deswegen darf man nicht jedes Mal erwarten, einen zuverlässigen Einblick in die Verhältnisse zu
erhalten. Auf der Taf. 3. Fig. 8 ist ein Durchschnitt des Canals in situ nebst dem Eintritt der Vene in das Sub-
arachnoidalgewebe zwischen dem Splenium corporis callosi, dem kleinen Gehirn und den Corpora quadrigemina dargestellt
. In der Fig. 7 sieht man zwar nicht den eigentlichen Eintritt der Vene, hingegen ihre Lage in dem ver-
hältnissmässig weiten Raum im Subarachnoidalgewebe, wie auch ähnliche Räume hier um die kleineren Venen herum
deutlich wahrzunehmen sind. Arnold, welcher annimmt, dass der Canal wirklich so vorhanden sei, als es Bichat
angegeben hat, also in offener Verbindung mit dem Subduralraum und dem dritten Ventrikel steht, hat eine Abbildung
derselben beim Schafe geliefert. Um zu zeigen, wie es sich dort wie auch bei einigen anderen Thieren in
der That verhält, geben wir in der Taf. 4. Fig. 1 dies Verhältniss wieder. Man erhält aus dieser Figur leicht eine
Erklärung der Arnold'schen Auffassung, welche sich dadurch auch als unrichtig erweist. Wir werden hierauf bei
der Beschreibung der Subarachnoidalräume und des Velum interpositum zurückkommen.
Nachdem wir also darzulegen versucht haben, dass der Subduralraum weder mit den Subarachnoidalräumen
noch mit den Ventrikeln in Zusammenhang steht, werden wir jetzt zu der Frage übergehen, ob er mit den
Blutgefässen der Dura, wie Boehm angenommen hat, in offener Verbindung steht oder durch Spalten an der
Innenfläche der Dura mit Lymphbahnen in dieser Haut zusammenhängt, wie in letzterer Zeit einige Verfasser
(Paschkewicz, Michel, Frey) angenommen haben. Bei der Beschreibung der Dura werden wir indessen näher auf
diese Verhältnisse eingehen und beschränken uns hier darauf, dieselben nur in gedrängter Kürze zu berühren. Betreffs
des »accessorischen Capillarsystems» von Boehm soll hier nur angeführt werden, was schon oben in der Historik aus
einer unserer vorigen Arbeiten hauptsächlich dargestellt wurde, nämlich dass dieses Netz immer blutführend ist,
sowohl mit Venen als mit Arterien zusammenhängt und von beiden Systemen aus in vollständiger Weise injicirt
werden kann, ohne dass ein Tropfen der Injectionsflüssigkeit in den Subduralraum hinaustritt, welche Verhältnisse
wir immer als einen entscheidenden Beweis dafür ansehen, dass das fragliche Capillarnetz trotz seiner Eigenthüm-
lichkeiten ganz und gar dem Blutgefässsystem angehört und keineswegs in offener Verbindung mit dem Subduralraum
steht. Diese Resultate wurden auch durch die späteren Untersuchungen von Paschkewicz und Michel bestätigt.
Nach subduralen Injectionen an lebenden Thieren sahen wir, ebenso wie Quincke, dies Gefässsystem nie direct die körnige
Masse aufnehmen. Es verdient hier bemerkt zu werden, dass Boehm selbst nach seinen Resorptionsversuchen und
subduralen Injectionen mit Milch bei todten Thieren, wob ei er die Milch in den eigentlichen Duralvenen wiederfand,
dieselbe in dem fraglichen Gefässnetz nie aufweisen konnte, obwohl er dies Netz als Vermittler des Ueberganges
annahm. Bei Stichinjectionen in die Dura findet man das Netz oft zusammen mit den Venen gefüllt, aber auch dabei
dringt die Flüssigkeit nicht in den Subduralraum hinaus, insofern keine Berstungen entstehen. Die Frage vom
Zusammenhang dieses Gefässnetzes mit dem Subduralraum mag also als entschieden angesehen werden. Betreffs
der Spalten hingegen an der Innenseite der Dura, durch welche der Subduralraum mit den Lymphbahnen im Innern
der Dura zusammenhängen soll, haben wir, so natürlich auch ihre Existenz in Anbetracht des Baues der Dura wäre,
doch keine Beweise für ihr Vorkommen gefunden, wohl aber eine Menge von Umständen, welche dagegen sprechen.
Wirkliche Spalten sind in der Dura gewiss vorhanden, aber, soweit wir finden konnten, nur in Zusammenhang mit
den Arachnoidalzotten. An diesen dringt auch die Injectionsmasse, wie wir gezeigt haben, ins Innere der Dura hinein,
aber nicht anderwärts; es sind indessen keineswegs diese an bestimmten Regionen vorkommenden Bildungen, welche
die genannten Verfasser gemeint haben, sondern nach deren Ansicht sollten die Spalten über die freie Fläche
der Dura im Allgemeinen zerstreut liegen. Wenn sie wirklich vorhanden wären, so würde gewiss eine so leicht
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 18
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/key1875-1/0085