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fliessende Masse wie Richardsons Blau bei lange und unter hohem Druck ausgeführten Subduralinjectionen in sie eindringen
und von ihnen ins Innere der Dura fortlaufen; das ist aber keineswegs der Fall. Aber nicht nur bei todten
Thieren sondern auch bei lebenden erhielten wir bei unseren Subduralinjectionen stets solche negative Resultate.
Die sehr feinkörnige Masse dringt auch bei diesen Injectionen nicht durch Spalten an der Innenfläche der Dura in
diese Haut hinein. Michel, welcher die Existenz solcher Spalten annimmt, konnte auch nicht finden, dass bei seinen
Subduralinjectionen die Flüssigkeit in die supponirten Spalten eindrang; er stützt seine Annahme von ihrem Vorhandensein
darauf, dass bei Stichinjectionen zwischen Dura und Schädel das Spaltensystem der Dura mater sich füllt und
die Flüssigkeit auf der Innenfläche der Dura durch längliche, spaltähnliche Oeffhungen ausdringt. Er nimmt deswegen
an, dass der Flüssigkeitstrom während des Lebens nicht vom Subduralraum in die Dura geht, sondern umgekehrt
von aussen nach innen, also vom Gewebe der Dura in den Subduralraum hinein. Wenn aber Oeffnungen der angegebenen
Art wirklich vorhanden wären, so müsste die Injectionsmasse auch vom Subduralraum aus durch dieselben
eingepresst werden können. Nach Allem, was wir finden konnten, sind indessen die geschilderten Spalten Kunst-
producte, sowie das Hervordringen der Flüssigkeit auf der Innenfläche der Dura von ihrem Innern die Folge von
Zerreissungen ihres dünnen bekleidenden Häutchens ist. Wenn man genau beobachtet, was im Allgemeinen sich ereignet,
ehe die Masse frei hervortritt, so glauben wir, dass man schwerlich zu einem anderen Resultate gelangen kann.
Führt man die Stichinjection an einer herausgenommenen Dura des Menschen aus, so sieht man, wie die Flüssigkeit sich
ausbreitet, gewöhnlich früh in die Venen hinübertretend und dicht an der Innenfläche der Haut an längeren oder
kürzeren, oft aber sehr langen Strecken in der Gestalt von Streifen zwischen den Bündeln der Dura verlaufend,
ohne dass etwas von der Injectionsflüssigkeit frei heraustritt; bei fortgesetzter Injection, z. B. von dem äusserst feinkörnigen
Richardson'schen Blau, findet man, wie das innere bekleidende Häutchen der Dura sich bauchig über die
erwähnten Streifen ausspannt, welche offenbar Spalten zwischen den oberflächlichen Bündeln der Dura bezeichnen,
ebenso wie das Capillarnetz sich hier oft mehr oder weniger vollständig in Zusammenhang mit den Venen anfüllt,
ohne dass ein einziges blaues Körnchen auf die Oberfläche hinaustritt; dagegen siekert die klare Flüssigkeit,
in welcher die Körnchen aufgeschwemmt sind, hindurch; hierbei geschieht also unter dem hohen Druck eine wirkliche
Abfiltrirung der äusserst feinen Körnchen, und dies beweist offenbar, dass keine wirkliche Oeffnungen vorhanden sind.
Setzt man nun die Injection fort, so sieht man gewöhnlich, wie an einer oder anderen Stelle, bisweilen an mehreren,
plötzlich eine Berstung entsteht und wie die gefärbte Flüssigkeit mit ihren Körnchen auf die Oberfläche hinausströmt.
Wenn man die noch am Schädeldach befestigte Dura durch Einstich injicirt, wobei sowohl diese Haut im Ganzen als
ihr bekleidendes Häutchen ausgespannt ist und dem Druck weniger leicht nachgeben kann, so scheinen selbstverständlich
die Berstungen an der Innenfläche viel leichter zu entstehen, aber auch in diesem Fall sieht man mehr
oder weniger die oben genannten Erscheinungen und wie die Masse oft in grosser Ausdehnung in die Venen übergeht
, ehe die Berstungen an der Innenfläche entstehen.
Wenn wir also finden, dass der Subduralraum nicht durch etwaige Spalten an der freien Innenfläche der Dura
mit den serösen Bahnen im Innern dieser Haut zusammenhängt, so sehen wir doch, dass auf einigen anderen
Wegen dieser Raum einen Ablauf erhält. Erstens findet sich, wie schon angedeutet wurde, eine solche
Verbindung durch die eigentümlichen Arachnoidalzotten, welche von der Arachnoidea her durch wirkliche
Spalten zwischen den Bündeln der Dura sich einsenken, um dann in der Regel mit ihren kolbenförmigen Enden in
die Venen oder venösen Sinus einzuschiessen. Auch bei sehr niedrigem Druck dringt die Flüssigkeit vom Subduralraum
aus rings um diese Zotten in die venösen Sinus ebenso wie in deren Umgebung in die Spalten zwischen den
Durabündeln hinein. Ueber die näheren Verhältnisse beim Uebergang der Flüssigkeit vom Subduralraum durch die
in dieser Beziehung so wichtigen Arachnoidalzotten in das Venensystem wird unten in eingehenderer Weise berichtet,
und verweisen wir deswegen hier auf das betreffende Capitel.
Betreffs der zweiten Art des Zusammenhangs des Subduralraums, nämlich mit dem eigentlichen, peripherischen
Lymphgefässsystem des Körpers, haben wir bei unseren späteren Untersuchungen hauptsächlich nur das bestätigen
können, was wir hierüber vorher mitgetheilt und in der Historik angeführt haben. Beim Menschen ist es uns bisher
nicht gelungen, ableitende Lymphgefässe injicirt zu erhalten, obwohl die Injectionsflüssigkeit hier sehr leicht durch
Vermittlung der Arachnoidalzotten in die Venen übergeht. Es scheint deswegen, als ob beim Menschen die ableitenden
Lymphgefässe bei der Flüssigkeitsresorption von dem Subduralraum aus im Verhältniss zu den bei ihm so
reichlich vorhandenen Arachnoidalzotten eine sehr untergeordnete Rolle spielen. Bei Thieren, wo diese Zotten weniger
entwickelt sind, oder bei solchen, wo sie aller Wahrscheinlichkeit nach ganz fehlen (so haben wir sie z. B. noch
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