http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/key1875-1/0090
74
Aus dem Obigen erhellt also, dass wir in Uebereinstimmung mit Hitzig gefunden haben, dass während des
Lebens mehr Flüssigkeit im Subduralraum vorhanden ist als nach dem Tode, da sie gewöhnlich nur durch den
feuchten Glanz, welche sie den Flächen der Häute verleiht, bemerkt wird; diese Flüssigkeit ist aber nach unseren
Untersuchungen in nur sehr geringer Menge als eine dünne Schicht zwischen Dura und Arachnoidea vorhanden,
und obwohl der Subduralraum überall zusammenhängt, scheint sie um das Gehirn etwas reichlicher als um das
Rückenmark zu sein, was auch Quincke angenommen hat. Ferner müssen wir daran als einer bewiesenen Thatsache
festhalten, dass die Flüssigkeit, welche bei dem Herausnehmen des Gehirns an der Basis cranii angetroffen wird,
nie auf eine vorher im Subduralraum vorhandene Flüssigkeit schliessen lässt, weil die grossen basalen Subarach-
noidalräume dabei immer geöffnet werden und ihren Inhalt mehr oder weniger vollständig entleeren *).
Wenden wir uns jetzt zu der Frage von der Verminderung oder dem Verschwinden der immer unter normalen
Verhältnissen in unbedeutender Menge vorhandenen Subduralflüssigkeit, welche bei Thieren bald nach dem Tode
stattfindet. Wie wir sahen, nimmt Hitzig an, dass dies dadurch geschieht, dass die Flüssigkeit in die Hirnsubstanz
imbibirt wird; er nimmt ferner an, dass sich das Gehirn während des Lebens dauernd in einem Zustand physiologischer
Compression befindet und dass dadurch bereits unter normalen Verhältnissen ein Secretionsdruck existirt, »welcher einen
höheren Werth besitzt, als derjenige ist, mit dem die eigene Elasticität und der Blutdruck das Gehirn gegen die Schädelwände
treiben)). Der Werth des normalen Hirndruckes giebt er nach Leyden und Jolly auf 100—110 Mm. Wasser
im Mittel an. »Hört nun der Gegendruck des Blutes auf, so wird der Gesammtdruck zwar absinken, jedoch nicht
ganz verschwinden, es wird gerade noch die Kraft übrig bleiben, mit der das comprimirte Gehirn seine Elaslicitäts-
grenzen wieder einzunehmen sucht, und in dieser Kraft ist wohl das Moment zu suchen, durch welches das Wasser
aus dem Sacke der Dura in die Hirnsubslanz verdrängt wird)). Dies Eindringen der Flüssigkeit in die Gehirnsubstanz
ist indessen nur eine Hypothese. Man findet leicht, dass wenn das Gehirn nach dem Tode einen Druck auf die Subduralflüssigkeit
ausübt, diese unverhältnissmässig viel leichter nach vielen anderen Seiten verdrängt werden kann
als in die Hirnsubstanz selbst, wo schwere Hindernisse ihr entgegentreten. In erster Hand müsste sie, um dahin zu
l) Hier ist nicht der Ort auf pathologische Verhältnisse einzugehen. Einige Bemerkungen, welche mit der obigen Schilderung
zusammenhängen, möchten wir uns indessen erlauben. Da während des Lebens eine Flüssigkeit, obwohl in sehr geringer Menge, im Sub-
duralraume vorhanden ist, und da also hier wie anderswo eine beständige Secretion und Resorption stattfindet, so würde wohl öfter, als
in späterer Zeit angenommen ist, unter pathologischen Verhältnissen diese Flüssigkeit vermehrt sein, sei es durch Steigerung der Secretion
oder Hinderniss in dem normalen Verlauf der Resorption. A priori konnte es so erscheinen, und doch mögen, wie oben hervorgehoben
wurde, alle erfahrene Pathologen in die angeführte betreffende Aeusserung Virchows im Allgemeinen einstimmen. Einer der Verfasser
hat als Vorstand der pathologisch-anatomischen Anstalt in Stockholm während mehr als dreizehn Jahren Gelegenheit gehabt, eine grosse
Menge von Fällen krankhafter Veränderungen in den Häuten des Gehirns ebenso wie von Hydrocephalus zu sehen. Die Fälle, wo er
glaubte, Gründe dafür zu haben, eine Vermehrung der Flüssigkeit im Subduralraum anzunehmen, beschränken sich auf einige äusserst
wTenige. Es muss doch zugestanden werden, dass eine geringe Vermehrung der Flüssigkeit in diesem Raum sehr leicht übersehen
werden kann. Gewöhnlich werden die Häute bei der Aufsägung des Schädels an einer oder anderen Stelle verletzt, und wenn eine
kleine Menge Flüssigkeit dabei ausfliesst, ist es im Allgemeinen unmöglich zu entscheiden, woher sie stammt. Wenn die Flüssigkeit
sehr schnell hervorquillt, mag dies ein Zeichen für eine subdurale Herkunft sein, weil bei einer Verletzung der Arachnoidea an der Con-
vexität die Subarachnoidalräume sich weniger schnell entleeren, besonders wrenn die Verletzung unbedeutend ist. Neulich kam indessen
hier ein Fall vor. wo eine Ansammlung von Flüssigkeit im Subduralraum im höchsten Grade wahrscheinlich erschien. Es betraf einen
älteren Säufer mit chronischer Verdickung sowohl der Dura als der Arachnoidea und des oberflächlichen Subarachnoldalgewebes. Die Dura
war bei der Aufsägung des Schädels an einer kleineren Stelle durchgesägt und eine ganz unbedeutende Oeffnung auch in der Arachnoidea
gemacht worden. Wie die austretende Flüssigkeit sich verhielt, wurde nicht beobachtet; als aber das Schädeldach unmittelbar danach abgenommen
wurde, sank die verdickte Dura in Falten über die Hirnfläche nieder, theilweise auf die Oberfläche der Arachnoidea herabfallend,
grösstentheils aber ein oder mehrere Mm. davon entfernt. An diesen Stellen war Luft (nach dem Abfliessen der Flüssigkeit?) zwischen
die beiden Häute eingetreten. Die Dura erschien also nicht unbedeutend räumlicher als der Umfang des Gehirns zusammen mit seiner
weichen Haut, ^sach dem Aufschneiden und Erheben der Dura wurde die verdickte Arachnoidea vollständig gespannt, eben und gleich-
mässig über die Gyri und Sulci verlaufend gefunden, und eine ziemlich reichliche Menge von Flüssigkeit war in den Sulcis vorhanden;
aus der kleinen verletzten Stelle der Arachnoidea siekerte die Subarachnoidalflüssigkeit nur sehr unbedeutend hervor; der relativ geringere
Umfang des Gehirns im Verhältniss zur Räumlichkeit der Dura schien also nicht durch das Abfliessen der Subarachnoidalflüssigkeit und
das Einsinken der Arachnoidea erklärt zu werden, um so weniger als man ja äusserst oft Gelegenheit hat wahrzunehmen, dass die
Arachnoidea bei einem Subarachnoidalödem lange ausgespannt bleibt, obwohl eine kleine Verletzung entstanden ist. Das Missverhältniss
zwischen der Weite der Dura und dem Umfang des Gehirns schien deswegen darauf zu beruhen, dass eine im Subduralraum angesammelte
Flüssigkeit während der Aufsägung sich entleert hatte. Der Fall ist indessen in Folge der kleinen Verletzung der Arachnoidea
nicht vollkommen rein und beweisend. Darum ist er hier nicht als ein bestimmter Beweis für eine abnorme Ansammlung von Subduralflüssigkeit
angeführt wrorden; er bietet doch solche Verhältnisse dar, welche zu finden sein müssen, wenn eine im Subduralraum angesammelte
Flüssigkeit während der Aufsägung des Schädels, d. h. bei nicht unbeschädigten Häuten, ausfliesst.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/key1875-1/0090