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»ein wundervolles Gewebe von lymphatischen Gefässen» und nach ihm war auch die Pia mater voll von lymphatischen
Gefässen; Burdach meint, dass man ihr Vorhandensein voraussetzen muss, wogegen E. H. Weber angiebt, dass
die Pia Saugadern besitzt u. s. w. Erst durch Fohmann und Fr. Arnold gewann indessen die Lehre von wirklichen
Lymphbahnen in der Pia einen festeren Boden. Nach Fohmann sind sie leicht an der Oberfläche des kleinen und
grossen Gehirns durch Aufblasen darzustellen; sie haben nach ihm schwache Wände und zerreissen leicht bei
Quecksilberinjection; sie liegen zwischen der Gefässhaut und der Arachnoidea und sind von grösserem Umfang als
in anderen Geweben des Körpers. Er nahm an, dass sie mit Lymphgefässen des Gehirns in Verbindung stehen.
Ihre Stämme begleiten die Blutgefässe bis zu den Austrittslöchern derselben, aber ihren Austritt durch diese Löcher
konnte er nie wahrnehmen, und er glaubte, dass die Lymphgefässe des Gehirns vielleicht keine Verbindung mit dem
übrigen Lymphgefässsystem eingehen, sondern nur mit den Venen.
Noch eingehender beschrieb, wie wir oben gesehen haben, Fr. Arnold diese Lymphgefässe nach Quecksilberinjection
; er unterschied drei verschieden gelegene und beschaffene Netze: 1. ein oberflächliches sehr feines, direct
unter dem serösen Theil der Arachnoidea befindliches; 2. ein gröberes etwas tiefer gelegenes, und 3. ein noch tieferes
und gröberes in der Pia mater selbst. Ueber die Beschaffenheit dieser verschiedenen Netze s. o. Arnold glaubte
mit Grund annehmen zu können, dass auch die Substanz des Gehirns von Saugadern durchzogen wird und vermuthet,
dass diese in Begleitung der Gefässstämme verlaufen, weil jene Stämmchen gerade an solchen Stellen aus der Hirnmasse
hervorzutreten scheinen, an denen Venen herauskommen, die sich alsdann in die Gefässgeflechte einsenken.
Die Stämme folgten sowohl in den Gefässgeflechten als auf der Hirnoberfläche der Richtung und dem Verlauf der
Venen; Arnold nahm deswegen an, dass die Hauptstämme durch dieselben Löcher heraustreten, durch welche die
Arterien und Venen des Hirns ein und austreten; er konnte diese Thatsache doch nicht direct demonstriren.
In Inneren des Gehirns schilderten Kolliker, Virchow und Robin eigenthümliche Scheiden um die Gefässe,
welche nach Robin den die Arterien der Reptilien umscheidenden Lymphgefässen ähnelten.
His beschrieb nun im Gehirn und Rückenmark seine bekannten perivasculären Räume, welche doch nichts mit
den eben genannten adventitiellen Scheiden gemein hatten, sondern ausserhalb dieser zwischen ihnen und der
umgebenden Hirnsubstanz lagen. Durch Einstichinjectionen injicirte er diese perivasculären Canäle und fand sie an
der Oberfläche des Gehirns in einen Raum, den epicerebralen Raum, ausmünden, welcher innerhalb der Pia mater
über das ganze Gehirn zwischen dieser Haut und der Gehirnoberfläche sich ausbreiten soll; durch Löcher der Pia
rings um die Blutgefässe, wo diese von der Pia ins Gehirn eintreten, hängt nach ihm der epicerebrale Raum mit
Lymphcanälen in der Pia zusammen, welche die Blutgefässe begleiten und sie als Mantelröhre einhüllen. Die die
eigentliche Cerebrospinalflüssigkeit enthaltenden Subarachnoidalräume stehen aber nach His in keiner Verbindung mit
diesen Mantelröhren ebenso wenig wie mit den epicerebralen Raum. Die Mantelröhre hielt er für die vorher geschilderten
Lymphcanäle der Pia, und der epicerebrale Raum schien ihm dem am tiefsten liegenden Lymphnetz Arnolds
zu entsprechen. Eine Verbindung mit dem allgemeinen Lymphsystem fand His ebensowenig wie Fohmann und Fr.
Arnold. Rings um das Rückenmark befindet sich nach ihm ein dem des Gehirns entsprechender Raum zwischen der
Pia und der Oberfläche des Marks, in welchen die perivasculären Räume ausmünden, aber dieser Raum hängt, wie er
meint, nicht mit etwaigen mantelförmigen Räumen in der Pia medullaris zusammen; His fand in der That keinen Ablauf
für diesen grossen epimedullaren Raum. Frommann, welcher übrigens eine in mehrfacher Hinsicht gute Schilderung
von dem Verhalten der Arachnoidea zur Pia am Rückenmark gab, opponirte zwar, was das Rückenmark betrifft,
gegen die His'sche Beschreibung von den perivasculären Räumen, indem er sie als Kunstproducte betrachtete;
sonst wurde diese aber im Allgemeinen als richtig angenommen. Vollständig wurde sie von Luschka adoptirt, ebenso
von Kolliker, welcher doch betreffs der perivasculären Räume des Gehirns äussert, dass sie nach aussen begrenzt
sind durch die von ihm vorher an allen Arterien und gröberen Capillaren beschriebene structurlose Haut. In hauptsächlicher
Uebereinstimmung mit His wurden übrigens die perivasculären Räume und der epicerebrale Raum, was
das Kleinhirn betrifft, von Henle und Merkel beschrieben; ebenso wie im Ganzen auch von Roth und von Eberth;
die Schilderungen der letzteren Verfasser betreffen indessen besondere Structurverhältnisse, welche mit den genannten
Räumen in Zusammenhang stehen; wir werden unten näher darauf eingehen. Aus den Aeusserungen Schwalbes
geht hervor, dass er die Subarachnoidalräume als von dem durch His beschriebenen Lymphsystem abgetrennt ansah.
Obersteiner bestätigte im Allgemeinen die Angaben von His. Zu der Zeit, wo auch wir unsere ersten Mittheilungen
veröffentlichten, sollten also nach den herrschenden Ansichten die serösen Räume um das Gehirn und Rückenmark,
vom Subduralraum ganz abgesehen, in mehrere Abtheilungen getrennt sein, welche nicht mit einander in offener
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