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Verbindung ständen; die Cerebrospinalflüssigkeit könnte also nur durch Diffusion aus der einen derselben in die
anderen hinein gelangen. Die Subarachnoidalräume selbst ständen nur theilweise unter einander in Verbindung,
sogar an der Basis des Gehirns, und vom convexen Theil desselben könnte keine Strömung nach den Subarachnoidal-
räumen des Rückenmarks stattfinden. Ferner 'hatte man in den Perivascularräumen des Gehirns, dem Epicerebral-
raum und den mantelförmigen Röhren um die Blutgefässe der »Pia», ein ganz abgetrenntes System, welches nicht
mit den Subarachnoidabräumen in Zusammenhang stehen sollte und welches zu dem allgemeinen Lymphsystem gerechnet
wurde, obwohl keine wirkliche Verbindung mit demselben dargelegt war; endlich hatte man am Rückenmark
ein ähnliches System von Perivascular- und Epimedullarräumeu, welches sogar keinen Abfluss mit den Blutgefässen
der Pia besass. Hierzu gehört noch, dass nach einer damals allgemein herrschenden Vorstellung auch die Ventrikel
gegen die Subarachnoidalräume (s. u.) abgeschlossen waren.
Das in so mancherlei Hinsicht Unbefriedigende bei dieser Auffassung gab die Anleitung zu unseren Untersuchungen
. Wir zeigten nun, dass durch Injectionen unter gelindem, constantem Druck sowohl bei lebenden als bei
todten Thieren und bei Menschen, alle Subarachnoidalräume sowohl am Gehirn als am Rückenmark in offener Verbindung
mit einander stehen, dazu aber noch mit den sog. Lymphcanälen um die Blutgefässe der weichen Haut herum
zusammenhängen, welche letztere nichts Anderes, als die längs den Blutgefässen verlaufenden, betreffs ihrer Form
etwas modiflcirten Subarachnoidalräume sind. Wir glaubten anfangs den His'schen Epicerebralraum bestätigen zu
können, fanden aber bald, dass, wenn die Injectionsflüssigkeit sich zwischen Pia und Hirn- oder Rückenmarksoberfläche
ausbreitet, dies auf Berstungen beruht; dagegen fanden wir, dass die Pia mit den ins Gehirn und Rückenmark
ein- und austretenden Blutgefässen trichterförmige Verlängerungen oder Hüllen einsendet, welche im Inneren
dieser Organe als Scheiden um die Blutgefässe sich fortsetzen und nichts Anderes sind als die hier vorher von
Kölliker, Viechow und Robin beschriebenen Adventitialscheiden. Die Injectionsflüssigkeit ging von den Subarach-
noidalräumen durch die Piatrichter auch bei lebenden Thieren in die Scheiden hinein, ohne irgendwo in die His'schen
Epicerebral-, resp. Epimedullar-, und Perivascularräume auszutreten, und dies sogar bei sehr starker Füllung der
Subarachnoidalräume. Wir betonten auch, dass bei inflammatorischen Zuständen man die Subarachnoidalräume, die
Piatrichter und die Adventitialscheiden mit lymphoiden Zellen vollgepfropft finden kann, ohne dass solche zwischen
Pia und Gehirn zu finden sind. Wir verneinten deswegen als natürliche Bildungen die His'schen Perivascularräume,
den Epicerebral- und Epimedullarraum und zeigten, wie leicht diese durch Stichinjectionen künstlich dargestellt
werden konnten.
Henle suchte indessen, was das Kleinhirn betrifft, in seiner Anatomie die von ihm und Merkel vorher gegebene
Auffassung von den genannten Perivascularräumen, sowie von dem Epicerebral- und Epimedullarraum aufrechtzuhalten
. Seine Beschreibung vom Verhalten der Pia zu der Oberfläche des Grosshirns und des Rückenmarks gestattet
doch, was diese letzteren Organe betrifft, schwerlich das Vorhandensein des lymphatischen Zwischenraums
unter der Pia. Das Subarachnoidalgewebe selbst wird übrigens von Henle im Ganzen genommen als ein physiologisch
wassersüchtiges Bindegewebe von allerdings ungewöhnlich lockerer Beschaffenheit bezeichnet, und er nimmt
an, dass die areoläre Beschaffenheit des Gewebes der Flüssigkeit eine fast so rasche Ortsbewegung erlaubt als wenn
sie frei das Centraiorgan umspülte. Indessen trat auch Golgi gegen die normale Existenz der Perivascularräume
im Gehirn sowie gegen die des Epicerebralraums auf; bei Injectionen durch den Subarachnoidalraum fand er in
Uebereinstimmung mit uns, dass die Masse in die Lymphgefässe der Pia eindrang und von diesen in die Gefäss-
scheiden im Gehirn verlief, ohne in den Epicerebral- oder die Perivascularräume auszutreten. Die auf der Oberfläche
der Hirnwindungen verlaufenden Blutgefässe besitzen nach ihm sehr weite Lymphscheiden, und von diesen werden
die in die Gehirnsubstanz eintretenden Gefässe mit ihren Scheiden bekleidet. Quincke nahm auf Grund seiner Versuche
bei lebenden Thieren an, dass ein Zusammenhang zwischen den Subarachnoidalräumen des Gehirns und Rückenmarks
vorhanden sei. Boll gab an, dass von den subarachnoidalen Räumen eine Füllung der Lymphgefässe der Pia
(der His'schen Mantelröhre um die Blutgefässe) niemals gelingt; dagegen wurde aber die Existenz der Epicerebral-
und Perivascularräume auch von ihm bestritten, und er beschrieb den trichterförmigen Ursprung der adventitiellen
Lymphscheiden der Hirnblutgefässe aus der Pia etwa in derselben Weise wie wir. Frey schloss sich nach eigenen
Erfahrungen betreffs der künstlichen Enstehung der Epicerebral- und Perivascularräume uns vollständig an; er leugnet
auch nicht das Vorhandensein von Perivascularräumen zwischen der Adventitialhaut der Gefässe und der angrenzenden
Neuroglia. Dagegen nimmt Frey an, dass die Pia mater reichlich entwickelte lymphatische Canäle enthält; eine
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