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Hülle des Vermis inferior an dieser Stelle innig angewachsen sei, abgerissen betrachten. Wenn man sich bemüht,
die Verhältnisse am ausgebildeten Gehirn eingehender zu prüfen, wird man leicht die Unmöglichkeit dieser Entstehungsweise
ersehen; wir hoffen, dass diese Unmöglichkeit auch aus obiger Beschreibung hervorgehen soll; unter Anderem
wird sie dadurch bewiesen, dass die fragliche Verlängerung gewöhnlich weit ausserhalb der Ventrikelwand ausläuft
und an ihren Rändern nicht die geringste Spur einer Zerreissung zeigt, hier aber oft Balken trägt, welche sie nach
den Seiten hin ausspannen. Da indessen diese Wand im Embryonalzustand geschlossen zu sein scheint, bleibt noch
eine Untersuchung über das Enstehen der Oeffnung während der Entwickelung des Gehirns zu wünschen.
Wenn wir zum eigentlichen Foramen Magendii zurückkehren, so geht es aus dem vorher über den Eintritt
der Plexus chorioidei Gesagten hervor, dass diese vom oberen hinteren Rande etwas in das Lumen der Oeffnung
hincinschiessen und dieselbe dadurch ein wenig verengern. Die Seitenränder der Oeffnung sind übrigens gewöhnlich
scharf und besonders in der Nähe des Markes eben. Bei mikroskopischer Untersuchung findet man oft am Rande
eine Verstärkung der Bindegewebsbalken' des Häutchens; nicht selten sieht man, wie oben erwähnt wurde, makroskopisch
mehr oder weniger feine Subarachnoidalbalken von der nächsten Umgebung sowie von den Rändern der
Oeffnung selbst ausgehen und sich jederseits an den Tonsillen befestigen. Diese Balken können vielleicht dazu
beitragen, die Oeffnung offen zu erhalten. Oft liegen die Arteriae cerebelli posteriores an ihren Rändern mehr oder
weniger über dieselben hinausschiessend; diese Arterien sind dann durch ein Balkenwerk an den Rändern sowie im
Allgemeinen an den umgebenden Theilen befestigt.
Den unmittelbaren Beweis für das normalmässige Vorhandensein des Foramen Magendii liefern die zahlreichen
Injectionen, welche wir mit besonderer Rücksicht auf diese Frage, von den Subarachnoidalräumen des Rückenmarks
sowohl als von den Ventrikeln selbst ausgeführt haben, und es scheint uns als ob die dadurch erhaltenen Resultate
keinen Zweifel übrig lassen. Schon Magendie fand, wie in der Historik angeführt wurde, dass Wasser oder andere
Flüssigkeiten, welche man in den Subarachnoidalraum des Rückenmarks injicirt, bis in die Seitenventrikel hineindringt.
»Die Flüssigkeit», sagt er, »gelangt zuerst in den Ventrikel des kleinen Gehirns, erfüllt ihn vollständig, schiebt seine
Wände aus einander, hebt die Valvula Vieussenii in die Höhe, geht dann durch den Aquaeductus Sylvii)) u. s. w.
Luschka, welcher auch von den Subarachnoidalräumen her einen in der obigen Historik erwähnten Injectionsversuch
machte, wandte dabei als Flüssigkeit mit Tinte gefärbtes Wasser an. Diese Flüssigkeit befand sich beim Untersuchen
über den grössten Theil der Hemisphären des Gross- und Kleinhirns, und eine geringe Menge derselben war in den
vierten sowie durch den deutlich geschwärzten Aquaeductus Sylvii bis in den dritten Ventrikel hineingedrungen.
Man hat im Allgemeinen keine Rücksicht auf diese Versuche genommen. Offenbar darf man auch durch
dieselben nicht mit voller Sicherheit den Weg nachweisen, auf welchen die Flüssigkeit eindringt und diejenigen
welche glauben, dass das Foramen Magendii durch Berstung beim Herausnehmen des Gehirns entsteht, konnten ja
auch meinen, dass die gefärbte Flüssigkeit erst dabei eingeflossen und später durch die nöthigen Manipulationen am
Gehirn weiter gelaufen sei. Um allen Einwänden entgegenzutreten, muss man erstarrende Flüssigkeiten anwenden,
welche beim Herausnehmen des Gehirns nicht herumfliessen oder Lage ändern können. Deswegen wandten wir mit
löslichem Berlinerblau gefärbte Leimlösungen an, welche schwächer oder stärker gemacht wurden, je nachdem eine
mehr verbreitete oder begrenzte Injection gewünscht war. Ausserdem wurde auch geschmolzenes, mit Baumöl vermischtes
Paraffin gebraucht. Nach der Injection wurde die Leiche bis zum Erstarren der Masse in Kälte gehalten;
erst dann wurde das Gehirn, theils in der üblichen Weise, d. h. nach Absägen des Schädeldachs, theils, wo so
geschehen konnte, nach stückweisem Abbrechen des Schädels mittelst scharfer Knochenzange und mit Schonung
der Dura mater, herausgenommen. Hierbei erhielten wir alle Stufen der Injection in den Ventrikeln und fanden
die erstarrte Masse in continuirlichem Zusammenhang durch das Foramen Magendii von der Cisterna magna cerebello-
medullaris in den vierten Ventrikel und weiter von diesem durch den Aquaeductus Sylvii in den dritten Ventrikel
sowie vom letzteren durch das Foramen Monroi in die Seiten Ventrikel hinein sich fortsetzend. Oft ist die Masse
in ihrem Verlaufe an dieser oder jener Stelle erstarrt und nicht weiter vorgedrungen; bisweilen wurde nur ein mehr
oder weniger langer Pfropfen von der Cisterne her in den vierten Ventrikel durch die Oeffnung hineinschiessend
gefunden. Da der bei der Injection angewandte Druck sehr niedrig war, kann man gewiss diese Resultate betreffs
des natürlichen Vorhandenseins der Oeffnung als ganz beweisend betrachten. Indessen wollten wir auch von den Ventrikeln
her Injection der äusseren serösen Räume durch Vermittelung des Foramen Magendii erhalten, und dies gelang
über Erwarten leicht. Luschka hatte schon in einem uns damals noch nicht bekannten Aufsatze (s. die obige Historik)
erwähnt, dass er nach Abtragen des Grosshirns eine gefärbte Flüssigkeit durch den Aquaeductus Sylvii in den vierten
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