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Ventrikel des in situ liegenden Kleinhirns hineinfliessen lassen und dabei Füllung der äusseren Subarachnoidai-
räume erhalten. Wir wandten folgende Methode an: Zuerst wurde das Schädeldach vorsichtig unter Schonung der
Dura abgetragen, dann wurde die Dura an der einen Seite aufgeschnitten und über die eine Hemisphäre zurückgeschlagen
, an der anderen Seite und am Falx ungerührt gelassen; dann wurde die entblösste Hemisphäre ungefähr
bis zur Höhe des unteren Randes des Sicheis weggeschnitten, so dass eine Hirnsubstanzschicht von nur einigen
Millimetern über dem Seitenventrikel übrig blieb; durch diese Schicht wurde mittelst einer Sonde eine feine Oeff-
nung gemacht, durch welche die Spitze einer conischen Glascanyle in den Ventrikel eingeschoben wurde, wonach
die Injection unter äusserst gelindem constantem Druck in ganz derselben Weise wie bei Injectionen in die äusseren
serösen Räume ausgeführt wurde. Die Füllung der Subarachnoidalräume geschieht hierbei mit fast erstaunenswerther
Schnelligkeit. Wenn die Injection beginnt, sieht man sogleich die Cerebrospinalflüssigkeit aus den an der einen
Hemisphäre geöffneten Subarachnoidalräumen ausströmen; nach einem Augenblick sieht man dann die Injectionsmasse
in die Subarachnoidalräume hinaufsteigen, und bald quillt sie statt der Cerebrospinalflüssigkeit aus denselben durchgeschnittenen
Räumen hervor. An der anderen Hemisphäre, wo die Dura nicht aufgeschnitten wurde, findet mau
die Masse sich in die Subarachnoidalräume der ganzen Oberfläche bis zum Sichel hinauf ausbreiten und in der gewöhnlichen
Weise in die Arachnoidalzotten hineingehen. Durch diese Versuche sieht man mit Gewissheit, dass weite
Bahnen den fraglichen Zusammenhang vermitteln.
Auch bei diesen Versuchen haben wir ganz reine Subarachnoidalinjectionen ohne Austreten eines Tropfens
der Injectionsmasse in den Subduralraum bekommen, wodurch ein neuer Beweis dafür erhalten wird, dass die Ventrikel
in keiner unmittelbaren Verbindung mit dem Subduralraum stehen.
Die Injection kann auch so geschehen, dass man am in situ liegenden Gehirn nach Eröffnung der beiden
Seitenventrikel, Durchschneiden und Erheben des Corpus callosum, des Fornix und der Plexus chorioidei vom dritten
Ventrikel aus die Canyle in den Aquaeductus Sylvii einführt. Dies ist besonders bei schnell erstarrenden Flüssig-
keiten empfehlenswert!!. Durch jede von diesen Methoden erhält man nun aber im Allgemeinen dasselbe Resultat
betreffs des Foramen Magendii, indem die erstarrte Masse durch dieses sich vom vierten Ventrikel aus in die Cisterna
magna fortsetzend gefunden wird.
Nur ein einziges Mal fanden wir das Foramen Magendii durch eine dünne Haut geschlossen, welche als eine
unmittelbare Fortsetzung der Tela chorioidea inferior vom Rande ringsum den Calamus scriptorius ausging (Taf. VI
Fig. 5) und also den Ventrikel vollständig verschluss, sich längs dem Rande der bei diesem Fall sehr kurzen zungen-
förmigen Verlängerung befestigend. Eine derartige abnorme Verschliessung mag gewiss sehr selten vorkommen, sowie
auf einem Fortbestehen des embryonalen Zustandes und nicht auf etwaiger Neubildung oder anderem pathologischen
Process beruhen. Magendie hat bei seinen zahlreichen Sectionen nur zwei Mal, und dies bei älteren Individuen, einen
ähnlichen Verschluss der fraglichen Oeffnung angetroffen. Er hält die verschliesscnde Haut für eine krankhafte Neubildung
. In seinen beiden Fällen war eine abnorme Menge von Flüssigkeit in den Ventrikeln vorhanden, und beide
Individuen waren während des Lebens geisteskrank gewesen. Ein anderer Fall von vollständigem Verschluss der
Oeffnung wird auch von Magendie nach Martin Saint-Ange angeführt. Dieser Fall betraf ein achtjähriges Kind; schwere
Cerebralsymptome waren während des Lebens vorhanden; bei der Section fand sich das Foramen Magendii von einer
»ziemlich resistenten, undurchsichtigen und flockigen Membran verschlossen und die Ventrikel waren von viel Serum
erfüllt)). In unserem Falle war keine Andeutung davon vorhanden, dass der Verschluss durch eine entzündliche Neubildung
entstanden wäre, sondern die Membran war offenbar eine unmittelbare Fortsetzung der Tela chorioidea;
kein abnormer Erguss war in den Ventrikeln vorhanden. Indessen ist es nicht ganz gewiss, dass die Membran vollständig
verschliessend war, sondern es ist sogar möglich, dass sie bei mikroskopischer Untersuchung, die wir, um dass
seltene Präparat zu bewahren, nicht ausgeführt haben, von solchen feinen Oeffnungen durchbrochen ist, wie wir
an der Tela chorioidea in der Nähe des Randes des Foramcn Magendii unter ganz normalen Verhältnissen wahrgenommen
haben. Bemerkenswerth ist, dass sich eben bei. diesem Falle die geringste von uns gesehene Ausbreitung
der Cisterna magna vorfand (Taf. VI Fig. 5).
Beim Pferde ist das Foramen Magendii, wie schon Renault erkannte und wir bestätigen können, verschlossen,
und dies in den von uns untersuchten Fällen, wie an der Fig. 7 Taf. IV, dadurch, dass die untere Wand des vierten
Ventrikels sich undurchbrochen am unteren Ende des Calamus scriptorius fortsetzt. Die Verhältnisse ähneln mithin,
von allen Eigenthünnichkeiten abgesehen, betreffs der Bildung der umgebenden Theile den bei dem eben geschilderten
Key und RetziüS. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 30
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