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Ventrikels finden sich je an dem Ende mehr oder weniger trichterförmiger Verlängerungen oder Ausbuchtungen der
Ventrikelhöhle, wodurch ohne Zweifel das Ausströmen der Flüssigkeit aus dem Ventrikel wesentlich erleichtert wird.
Durch das Foramen Magendii strömt die Flüssigkeit, wie die Injectionen zeigen, auch mit Leichtigkeit in den Ventrikel
hinein, obwohl die Anordnung der Oeffhung so beschaffen ist, dass ein leichtes Ausströmen noch mehr befördert
wird. Betreffs der Seitenöflfnungen haben sie gewissermassen eine valvelartige Beschaffenheit, und sie scheinen
vielleicht eher dazu dienen, beim Bedürfniss die Flüssigkeit von innen her ausströmen zu lassen, als sie von aussen
her in den Ventrikel einzulassen. Es ist nämlich klar, dass wenn die Seitenrecesse des vierten Ventrikels erweitert
werden, diese Erweiterung auch die fraglichen Oeffnungen betreffen muss; die Injectionen von den Ventrikeln her
beweisen ausserdem, wie leicht die Ausströmung stattfindet. Wenn dagegen ein stärkerer Druck von aussen wirkt,
so wird wahrscheinlich der halbmondförmige Rand der Wand dem Plexus inniger angedrückt und die Oeffnung mehr
verengert oder sogar geschlossen. Man könnte deswegen vielleicht diese Oeffnungen beim Menschen unter gewöhnlichen
Verhältnissen, bei offenem Foramen Magendii, als eine Art an den beiden Seiten des Ventrikels befindlicher Sicherheitsventile
betrachten. Es ist schwer durch Injectionen diese Frage mit Bestimmtheit zu entscheiden, denn es ist klar,
dass bei offenem Foramen Magendii die Masse vom Subarachnoidalraum her zuerst durch diese Oeffnung in den
Ventrikel eintreten und dann aus demselben durch die Seitenöffnungen wüeder austreten kann. Dass diese Masse
in den letzteren Oeffnungen mit der aussen im Subarachnoidalraum sowohl als mit der im Ventrikel befindlichen
Masse in ununterbrochenem Zusammenhang erstarrt, beweist deswegen nicht, dass sie hier von aussen nach innen
eingetreten ist, denn sie kann in umgekehrter Richtung geflossen sein. AVenn in seltenen Fällen das Foramen Magendii
beim Menschen verschlossen ist, sowie bei den Thieren, wo dies die Regel ist, fungiren wahrscheinlich die Seitenöffnungen
auch als zuführende Oeffnungen.
Magendie zeigte, wie bekannt, dass die Cerebrospmalflüssigkeit unter positivem Druck steht, welcher mit der
Exspiration und Inspiration steigt und fällt. Er suchte auch experimentek darzulegen, dass in Zusammenhang hiermit
eine beständige Strömung, eine Ebbe und Fluth, in der Cerebrospmalflüssigkeit stattfindet; als hauptsächliche
mechanische Treibkraft hierfür fand er eben die Respiration wirken. Bei jeder Exspiration Verden die grossen
venösen Sinus des Rückenmarkscanales gefüllt; sie dringen die Cerebrospmalflüssigkeit nach oben zum Gehirn hinauf,
wo die Venensinus, in Folge ihres Baues sich nicht nennenswerth erweitern können; bei der Inspiration aber verengern
sich diese venösen Sinus des Rückenmarks und dann geschieht eine Zurückströmung der Flüssigkeit das
Rückenmark hinab. Hiermit stimmen auch die Untersuchungen anderer Forscher (vor allem Eckers) überein. Wir
haben bei einer Anzahl lebender Hunde versucht, den Druck der Cerebrospmalflüssigkeit genau zu bestimmen, um
eben das Verhalten dieses Druckes zum Blutdruck in den venösen Sinus zu erörtern (über die hierbei gewonnenen
Resultate s. unten im Capitel der Arachnoidalzotten). In der erwähnten, für die Cirkulation und die Vertheilung
des Druckes innerhalb des centralen Nervensystems überaus wichtigen Strömung, würde die Flüssigkeit der Gehirnhöhlen
nicht Theil nehmen können, wenn kein offener Zusammenhang mit der übrigen Cerebrospinalflüssigkeit
vorhanden wäre. Bei einer Vermehrung der Flüssigkeit in den Ventrikeln, könnte der gleichzeitig vermehrte Druck
nicht vertheilt werden, sondern nur von innen her auf die Umgebung der Ventrikel wirken; nun findet man aber,
wie unter gewöhnlichen Verhältnissen die vermehrte Flüssigkeit zu den äusseren Theilen leicht Ablauf erhält und
der Druck auch über die Oberfläche gleich vertheilt werden mag. Im umgekehrten Fall, bei einer Vermehrung der
äusseren Cerebrospinalflüssigkeit sowie des Druckes derselben, muss diese auch direct auf den Inhalt der Ventrikel
einwirken.
Es ist schwer sich zu denken, wie die Flüssigkeit der Ventrikel resorbirt werden könne, wenn diese abgesperrt
wären, denn man kennt hier keine solche Bildungen, die im Dienste einer Resorption wirksam sein können. Die
Plexus darf man wohl, wie allgemein geschieht, als eigentlich secernirende annehmen. Eine beständige Umsetzung
ist aber hier ebenso nothwendig wie sonst überall. Dadurch dass die Flüssigkeit frei ausströmen kann, wird sie
immerfort mit der übrigen Cerebrospinalflüssigkeit gemischt und die Resorbtion scheint von den äusseren serösen
Räumen stattzufinden, wo sie nach unseren Untersuchungen wesentlich durch die Arachnoidalzotten vermittelt
zu werden scheint, obwohl auch ein Theil derselben, wie wir gezeigt haben, durch die spärlichen Lymph-
gefässe und die abgehenden Nerven, austreten kann. Aus allen diesen Verhältnissen geht indessen hervor, von
welchem grossen physiologischen Gewicht die beschriebenen Oeffnungen des vierten Ventrikels sein müssen. Die
Kenntniss derselben wird gewiss auch dazu beitragen, ein Licht auf manche pathologische Zustände zu werfen.
Key und Retzius. Studien in Oer Anatomie des Nervensystems. 31
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