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In erster Linie ranss man sich die Frage stellen, ob nicht die Beschaffenheit dieser Oeffnungen von wesentlicher
Bedeutung für manchen Fall von Hydrocephalus sein kann. Ein Verschluss derselben, sei es durch Bildungsfehler,
sei es durch Druck oder pathologisch neugebildete Membranen, könnte wohl eine Vermehrung der Flüssigkeit in
den Ventrikeln veranlassen. Selbst hatten wir nicht Gelegenheit, in dieser Richtung Untersuchungen anzustellen,
nachdem wir diese Oeffnungen näher berücksichtigten. Magendie, welcher mehrere hydrocephalische Gehirne mit
Rücksicht hierauf untersucht hat, meint in einem Theil der Fälle die von ihm beschriebene Oeffnung drei- bis
viermal grösser als normal gefunden zu haben, während hingegen in anderen Fällen sie durch eine Membran geschlossen
war. Er führt, wie oben erwähnt, zwei solche, von ihm selbst beobachtete Fälle sowie einen nach Martin
Saint-Ange an. Er lässt es aber unentschieden, ob der Verschluss in diesen letzteren Fällen die vermehrte Flüssigkeitsansammlung
verursacht habe oder nicht. Nach dem oben Dargestellten müssen indessen alle drei Oeffnungen
geschlossen sein, ehe der Ablauf abgesperrt sein kann; da Magendie die Seitenöffnungen nicht kannte und ihre
Beschaffenheit in den angeführten Fällen also nicht untersucht worden ist, so beweisen dieselben in dieser Beziehung
nichts. Dass nicht ein membranöser Verschluss des Foramen Magendii oder der einen Seitenöffnung allein Hydrocephalus
hervorruft, beweisen die beiden oben mitgetheilten Fälle eines derartigen Verschlusses. Die Seitenöffnungen
waren im ersteren Fall normalmässig beschaffen und schienen nicht bemerkenswert!! vergrössert zu sein. Selten mögen
wohl alle drei Oeffnungen durch membranöse Bildungen verschlossen sein. Aber der Ablauf kann durch andere mechanische
Ursachen, vor Allem durch Geschwülste, die den vierten Ventrikel oberhalb des Abgangs der Seitenrecesse
oder auch den Aquaeductus Sylvii zusammendrücken, abgesperrt sein. Magendie führt, wie erwähnt, einige Fälle an,
wo eine solche Absperrung beim Hydrocephalus vorhanden war, die er auch als dadurch veranlasst annimmt. Hier
kommt aber gewöhnlich noch ein Moment hinzu, nämlich, dass ähnliche vom Kleinhirn, Mark oder Pons u. s. w.
ausgehende Geschwülste gern auch einen Druck auf die Venen ausüben und dass durch diesen gehemmten venösen
Abfluss die Flüssigkeitsabsonderung vermehrt sein kann. Wenn diese beiden Umstände zusammen wirken, kann eine
Ausspannung der Ventrikel um so viel eher erfolgen.
Man könnte nicht ohne Ursache in Frage stellen, ob nicht allzu grosse Oeffnungen eine allgemeine Erweiterung
der Ventrikel dadurch beförderten, dass die Flüssigkeit von aussen her in gar zu grosser Menge einströmte.
Die Beobachtungen Magendies über die grosse Weite der unteren Oeffnung in einigen Fällen von Hydrocephalus
könnten zwar eine solche Vermuthung stützen; in der That beweisen sie aber nichts, indem die Erweiterung secundär
sein kann, oder auch kann die bedeutende Grösse von einem vorhandenen Hydrocephalus ganz unabhängig sein.
In den Fällen, wo wir ein ungewöhnlich grosses Foramen Magendii angetroffen haben, fand keine allgemeine
Ventrikelerweiterung statt. Die grösste Oeffnung, die wir gesehen haben, kam bei einer Epileptischen vor, wo
übrigens keine andere Veränderung des Gehirns als eine ziemlich starke Hyperämie vorhanden war. Die untere Wand
des vierten Ventrikels wurde in der Mitte bis zur Nähe der Striae aeustieee vermisst, von wo ab sie nach den Seiten
hin in normaler Weise, obwohl mit sehr schwacher Entwickelung des Velum medulläre, sich fortsetzte. Der vierte
Ventrikel war in diesem Fall nicht unbedeutend erweitert und die Valvula Vieussenii nach oben und hinten
gebuchtet; die übrigen Ventrikel waren aber nicht grösser als gewöhnlich. Wir wollen aber nicht die bei dieser
Person sehr schweren epileptischen Anfälle mit der abnormen Grösse der Oeffnung und der Erweiterung des Ventrikels
in Zusammenhang setzen; der Fall mahnt indessen zur fortgesetzten Aufmerksamkeit in dieser Richtung.
Indessen mag hier bemerkt werden, dass wir in einigen anderen Fällen das Foramen Magendii beinahe ebenso gross
gefunden haben, ohne dass etwaige krankhafte Cerebralsymptome während des Lebens und keine Erweiterung
des vierten Ventrikels vorhanden waren.
Wenn wir also gegenwärtig nicht sagen können, dass eine abnorme Beschaffenheit der Oeffnungen des vierten
Ventrikels in etwaigem Falle mit Bestimmtheit als Ursache eines allgemeinen Hydrocephalus dargethan ist, so ist
der Grund möglicherweise derjenige, dass so äusserst wenige Untersuchungen in dieser Hinsicht gemacht werden
konnten, ja sogar keine, wo alle Oeffnungen berücksichtigt sind. Die Zukunft wird deswegen allein Erläuterungen
in dieser Hinsicht geben können. Dagegen ist es ganz klar und zugleich von grosser Wichtigkeit, dass die Flüssigkeit
in den Ventrikeln in mehr oder weniger bedeutendem Grade vermehrt und die Ventrikel gleichzeitig ausgespannt
sein können, ohne dass die geringste Vermehrung der Absonderung in den Ventrikeln selbst stattgefunden hat.
Die Vermehrung der Flüssigkeit kann nämlich vollständig von einem mehr oder weniger bedeutenden Zufluss von
aussen her abhängen.
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