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An der inneren Duraoberfläche haben wir, wie vorher ans der Intima pias beschrieben wurde, also noch ein
Beispiel von solchen unter einem Endothel liegenden, elastischen Häutchen, von welchen die Zellen sich leicht ablösen.
Auch an der äusseren Oberfläche der Dura begegnet man ein dem der Innenfläche entsprechendes Häutchen.
Schon Wiensky spricht von einer »falschen» Epithelzeichnung an der äusseren Fläche der Dura cerebralis. Zwar
gelang es uns nicht beim Menschen hier durch das Silberreagenz die Zellencontouren darzustellen. Beim Kaninchen
ist es aber mehrmals geschehen, und an der Dura spinalis des Hundes erhielten wir eben an der Aussenfläche eine
schöne solche Zeichnung (Taf. XIX Fig. 7). An dünnen Flächenschnitten, sowohl der Dura spinalis als cerebralis,
und dies sogar besonders schön beim erwachsenen Menschen, bekommt man hier ein mehr oder weniger vollständiges,
kernhaltiges Häutchen, an dessen Innenseite steife Fasern, gewöhnlich in sehr reichlicher Menge und in verschiedenen
Richtungen verlaufen (Taf. XIX Fig. 11, 12 6). Um die Kerne finden sich bald keine Protoplasmareste, bald spärliche,
bald aber auch reichlichere, und im letzten Falle sind sie mehr oder weniger verzweigt, mit von den Kernen ausstrahlenden
Aesten angeordnet. Dies Häutchen bedeckt die äusserste Fibrillenbündelschicht der Dura (Fig. 12 a) und grenzt sie sogar
am Schädel gegen den Knochen ab. Oft erhält man es in Fetzen hie und da zersprengt; dies findet aber durch das
Abziehen von der Schädelfläche leicht eine Erklärung und kann auf innigere Verbindungen mit derselben hindeuten.
Nachdem wir also in allgemeinen Zügen die bindegewebige Structur der Dura mater geschildert, haben wir
einer anderen histologischen Bildung in ihr zu gedenken, die schon mehrmals zu etwas verschiedener Auffassung
Anlass gab. Es sind dies die Blutgefässe. Die gröbere Anordnung derselben ist meistentheils schon seit Langem
in den Lehrbüchern ausführlich beschrieben worden, so dass sie hier fast ganz übergangen werden kann. Einige
Verhältnisse derselben werden wir im Capitel über die Arachnoidalzotten näher erwähnen. Die feinere Vertheilung
der Blutgefässe bietet an der Dura spinalis nichts Besonderes. Die Maschen sind im Allgemeinen verhältnissmässig
spärlich, weit und in die Länge gezogen; an der Innenfläche laufen die kleineren Gefässe. In der Dura cerebralis
sind aber die Blutgefässe eigenthümlicher. Es war ja eben hier, wo Boehm das sonderbare, normal nicht blutführende
Appendixsystem der Blutgefässe gefunden hatte, welches nach unseren Untersuchungen sich überall als etwas
eigenthümlich erweiterte Capillaren und Venen erwies. Zwar sind nachher Paschkewicz und Michel uns in dieser
Hinsicht beigetreten. Zar Bestätigung unserer vorigen Angaben geben wir hier in Zusammenhang mit der vorliegenden
Schilderung eine Auswahl unserer Abbildungen darüber mit (Taf. XXV und Taf. XXVI). Wir haben diese
Gefässe beim Menschen (Kindern und erwachsenen) sowohl als bei einer Reihe von Thieren (Hund, Katze, Pferd,
Ochsen, Schaf, Kaninchen, Huhn, Gans u. s. w.), theils an natürlich mit Blut gefüllter Dura, theils mittelst Injectionen
von gefärbten Flüssigkeiten, theils nach Durchtränken mit Silberlösung ohne oder mit vorheriger Injection von anderen
Flüssigkeiten oder sogar mittelst Injectionen von der Silberlösung selbst dargestellt. Die Injectionen geschahen
entweder von den Arterien oder den Venen des Halses aus oder, und dies in ausgedehnter Weise, mittelst Einstich.
Es lag nämlich hier die Frage vor, zu entscheiden, ob überhaupt andere Gefässe in der Dura vorkommen als die
Blutgefässe, entweder wirkliche Lymphgefässe oder ein solches Appendixsystem wie das von Boehm beschriebene.
Wir begannen unsere Untersuchungen mit dem Studium der in natürlicher Weise, d. h. mit Blut, injicirten Dura
des Menschen. Hier erwiesen sich, und dies besonders an der blutgefüllten, in Weingeist erhärteten Dura des Schädeldaches
, folgende Verhältnisse. An der äusseren Seite laufen in schlingender Anordnung die Arterienzweige (Taf. XXV
Fig. i a, Fig. 2 a, Fig. 3 a) jederseits von einer gewöhnlich etwas breiteren Vene (dieselben Fig. v) umgeben, deren
innere Grenzlinie sich den Buchten der Arterie anpasst. Die Arterien zweige und damit auch die beiden Venen theilen
sich dichotomisch, und ihre Zweige laufen in spitzem oder rechtem Winkel an der Aussenfläche weiter fort. Die Venen
gehen oft Verbindungen mit anderen Venen ein. Auch die Arterien anastomosiren mit einander. An der Innenfläche
der Dura findet man ein anderes zierliches Gefässnetz (Taf. XXV Fig. 2) mit im Allgemeinen langgezogenen Maschen.
Hie und da sieht man an demselben, besonders an den Knotenpunkten der Maschen, eigenthümliche, ampulläre, oft
etwas birn- oder kolbenförmige, gewöhnlich quer liegende, etwas verschieden grosse Erweiterungen (Taf. XXV Fig. 2 c'),
welche indessen, sowohl als die feinen, capillaren Gefässe selbst (c), im natürlichen Zustande immer Blut führen.
Wie verhält sich nun dies innere Gefäss-systein zu dem äusseren? Bei sorgfältiger Durchmusterung der Präparate
findet man, dass hie und da feine Gefässe (dies. Fig. bei a') in schräger Richtung durch die Dura von den Arterien
des äusseren Systems nach dem inneren abgehen und sich hier in dasselbe ergiessen. Es sind dies die verbindenden
Arterienäste oder die capillaren Arterien. An anderen Stellen sieht man (Fig. 1 bei v) noch etwas grössere Erweiterungen
, deren verschiedene, phantastische Formen nicht eben leicht zu beschreiben, aber in hauptsächlicher
Auswahl in der angeführten Figur abgebildet sind. Bei näherer Untersuchung findet man, dass diese Säcke, die ge-
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