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Nach Sömmerring J) sind die an der inneren Fläche der harten Hirnhaut' vorkommenden Pacchionischen Körperchen
Lymphdrüsen ähnlich; sie hängen bisweilen innig mit der Gefässhaut zusammen und nehmen nur Grübchen
in der Dura ein. Bei älteren Individuen finden sich ausserdem kleinere, gelbliche, in Haufen angesammelte Körperchen
an der Membrana Arachnoidea.
Ueber die ))Körperchen auf und unter der äussern Hirnhaut zu beiden Seiten der grossen Sichel» äussern
die Gebrüder Wenzel 2) Folgendes: »Die Zergliederer waren bisher über die Natur, den Ursprung und Zweck dieser
Körperchen noch nicht zu einem festen Resultate gekommen. Viele halten sie noch für drüsenartig; die meisten
gestehen, dass wir dieselben noch nicht hinreichend kennen. Wir untersuchten diese Körperchen an vier und sechzig
Hirnen von Menschen des verschiedensten Alters, und an den Hirnen von mehreren Säugethieren, und können uns
vielleicht freuen, über ihren Ursprung, wahren Sitz, Form, Grösse, Menge, Farbe, Konsistenz, innere Beschaffenheit,
Stoff und Zweck ihres Daseyns, keinen Zweifel mehr übrig gelassen zu haben. Beym Fötus kommen sie durchaus
noch nicht vor; man findet sie in der Regel um so zahlreicher, je älter der Mensch ist, dessen Hirn man untersucht.
Die Stelle, wo man sie findet, ist der obere und innere Rand beyder Hirnhälften, doch mehr in der Mitte desselben
und nach hinten zu, als nach vorn. Diese Körperchen haben ihren ursprünglichen Sitz in der Gefässhaut, und ruhen
mit ihrer Basis meistens auf den grössern Venenstämmen, die sich in den grossen Blutleiter ergiessen. Von hier
aus breiten sie sich bey ihrem Wachsthume theils nach den Seiten, theils in die Höhe zwischen die Fibern der äussern
Hirnhaut aus. Desswegen findet man sie vorn am Anfange der grossen Sichel viel weniger zahlreich, weil hier
die in den grossen Blutleiter sich ergiessenden Venenstämme viel kleiner sind, als in der Mitte und hinten. Sie hängen
nicht organisch, nicht durch Gefässe, untereinander zusammen; liegen bald mehr bald weniger gedrängt oder zerstreut
, und werden von der Schleimhaut bedeckt, oder zufällig miteinander verbunden. Lymphe, die aus den Ge-
fässen der innern Hirnhaut abgesondert wird, ist der Stoff, aus dem sie gebildet werden. Ihre Figur ist ungemein
variirend, rundlich, eyförmig, eckig, halbmondförmig u. s. w.; sie hängt meist von der Form der Räumchen ab,
welche die Fibern der harten Hirnhaut, gegen welche die sich verdickende Lymphe angedruckt wird, unter sich bilden.
Auch ihre Menge ist sehr verschieden. Bei Menschen desselben Alters findet man bald viele, bald nur wenige
Körperchen; nur soviel kann man in dieser Hinsicht als einigermassen beständig behaupten, dass sie um so zahlreicher
erscheinen, je älter die Subjekte sind, die man untersucht. Allein ganz fest bestimmt ist das Verhältniss
der Zahl dieser Körperchen mit der Menge und mit der Zeit der zwischen die Hirnhäute ausgetretenen Lymphe.
Je grösser die Menge von dieser und je zäher ihre Beschaffenheit, und folglich je länger vor dem Tode sie ausgetreten
ist, um so grösser ist auch die Menge jener Körperchen. Man findet daher bey ungewöhnlich vielen Körperchen
auch viele und zähe Lymphe zwischen den Hirnhäuten; die Körperchen selbst in diesen Fällen stets gelblich,
und undurchsichtig geworden. Vorzüglich häufig findet man sie bey hypochondrischen, melancholischen, epileptischen
Subjekten, bey Menschen, die an langwierigen Kopfübeln, litten, überhaupt nach Krankheiten, die mit starken Anhäufungen
des Bluts im Kopfe verbunden sind. Die Farbe der Körperchen ist sehr verschieden, sie spielt von dem
weissen durch alle Mittelstufen bis ins bräunliche; sie sind um so weisser, je kleiner, dünner, weicher, überhaupt,
je jünger sie sind; sie sind um so mehr gelb oder bräunlich, je grösser, dicker, härter, überhaupt, je älter sie sind.
Ganz analog den Veränderungen der ausgetretenen Lymphe in andern Höhlen des Körpers. Wir durchschnitten
viele von ihnen und untersuchten sie sorgfältig mit dem Vergrösserungsglasc; inwendig haben sie immer dieselbe
Farbe wie ausserhalb, ihr Inneres zeigt durchaus keine Spur von Organisation. Durch diese und andere unwiderlegbare
Beweise wird es ausser allen Zweifel gesetzt, dass die sogenannten pacchionischen Drüschen nichts anders sind,
als von den Gefässen der innern Hirnhaut abgesonderte oder ausgeschwitzte, kränklich angehäufte, stockende,
verdickte, durch die netzförmige Struktur der äussern Hirnhaut geformte Lymphe, auf welche Meynung wir schon
im Jahre 1791 gekommen waren».
Burdach 3) sah in den Pacchionischen Körperchen eine Abnormität, welche so häufig vorkommt, dass man sie
lange Zeit für normal gehalten hat. Es sind Körnchen oder Klümpchen, aus ergossner und geronnener Lymphe
bestehend, welche an der äusseren Fläche der Gefässhaut, besonders in der Nähe des obern Sichelblutleitcrs und
namentlich der Venenmündungen in demselben vorkommen. Bei Embryonen fehlen sie, bei Kindern sind sie selten,
]) Dg corporis humani fabrica. T. IV. 1798.
-) Prodromus eines Werkes über das Hirn des Menschen und der Thierc. Tübingen 1806.
3) Vom Baue und Leben des Gehirns. Leipzig 1819—22. — Beyträgc zur nähern Kenntniss des Gehirns. 2 Theil. Leipzig 180(1.
Key und Eetzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 43
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