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C. F. T. Krause der die Pia mater und Arachnoidea jede für sich beschreibt, rechnet die Pacchionischen
Granulationen zur Pia. Sie finden sich in ihr öfters, vorzüglich bei älteren Menschen, sind aber keine Drüsen, sondern
abnorme Bildungen, die zuweilen die Dura mater durchbohren.
Rokitansky 2) beschreibt die Pacchionischen Granulationen als Texturerkrankungen der Arachnoidea. Sie haben
nach ihm keine andere Bedeutung als die der fibroiden Verdickung einer serösen Haut in granulirter Gestalt. Durch
Druck drängen sie die Faserung der harten Hirnhaut auseinander und betten sich in derselben ein, durchbohren sie
und lagern sich in eigene Grübchen und Gruben im Schädelknochen ein; auf diese Weise vermitteln sie auch eine
regelwidrige Adhsesion der Cerebral-Arachnoidea an die harte Hirnhaut. Ihr gewöhnlicher Sitz ist der Sichelrand
der Hemisphären, wo sie häufig auch die Wandung des Sinus long. sup. durchbohren und in dessen Höhle hereinragen
. Sie sind fast constant, so dass man sie kaum je, selbst bei jüngeren Individuen vermisst. Bei Individuen,
die an Congestionszuständen gelitten haben, sind sie beträchtlicher.
Nach Cruveilhier 3) stammen die Pacchionischen Granulationen aus dem subarachnoidalen Gewebe. Er sagt,
dass er keine bestimmte Ansicht weder über ihre anatomische Natur noch über ihren Nutzen habe. »Man hat»,
sagt Cruveilhier, »diejenigen dieser Gruppen, welche die Sinus durchbohren, für dazu bestimmt angesehen, den Dienst
von Klaffen auszuführen. Besser wäre es unsere Unwissenheit bezüglich dieser Körperchen zu bekennen, welche
gar nicht lymphatische Ganglien sind, wie man behauptet hat. Ihr zahlreiches Vorkommen ist der Art, dass sie
nicht unter den krankhaften Bildungen aufgeführt werden mögen». Sie fehlen beim Kinde, sind aber beim Erwachsenen
fast constant. Die in den Sinus eintauchenden sind immer durch seine Tunica interna vom Blute getrennt.
Man findet solche Körper am vorderen Ende des Sinus rectus. Er hat sie auch im Inneren des horizontalen Theils
des Sinus lateralis angetroffen.
Nach Todd 4) scheinen die Pacchionischen Granulationen mit Mikroskop untersucht aus einer Masse von kleinen
in einem membranösen Sack eingeschlossenen Körnchen zu bestehen; wenn sie gestielt sind, zeigt der Stiel eine
Reihe von längsgehenden Streifen, welche wahrscheinlich Falten der ihn bildenden Membran sind. Durch Essigsäure
bekommt man zuweilen epitheliale Platten an der Oberfläche der Membran zu Gesicht, Nach Todd kann ihre
Structur in folgender Weise erklärt werden. Die erste Absetzung von granulärer Lymphe geschieht unter den Ge-
fässen der Pia mater. Die kleinen so gebildeten Körperchen schieben die Arachnoidea vor sich wie ein Sack oder
eine Hülle; in einigen Fällen ist die granuläre Masse nur theilweise bedeckt, in anderen aber vollständig und dann
wird sie mehr und mehr gestielt. Daraus geht hervor, dass die Pia mater der Sitz der primären Absetzung sein
muss, oder auch mögen diese Körper einen durch reichliche Irritation hervorgerufenen, degenerirten Zustand in den
elementären Theilen der äusseren Schicht der grauen Substanz gewisser Windungen bezeichnen. Die Pacchionischen
Granulationen sind also krankhafte Bildungen, die durch eine chronische, allmähligc Irritation entstanden sind.
Todd fand sie nie vor dem sechsten Jahre; sie sind immer in sehr verschiedener Zahl vorhanden, mangeln oft sogar
vollständig. Sie gehören nur dem Menschen, wurden nie bei anderen Thieren gefunden. Am zahlreichsten kommen
sie rings um die Venen vor, welche an den inneren oberen Rändern der Hemisphären aus der Pia mater in den Sinus
longitudinalis superior eintreten; man findet sie aber auch an den lateralen Sinus und zuweilen sogar an den geraden.
In allen diesen Orten dringen sie durch die fibröse Haut ihrer Wand und schieben vor sich die innere oder venöse
Haut. Man findet auch zuweilen etwas ähnliche Körperchen an den Plexus chorioidei der Scitcnventrikel; ferner
an dem Fortsatz der Pia mater, welcher vom Velum interpositum zur Glandula pinealis hinabsteigt, und an den Plexus
chorioidei des vierten Ventrikels.
Als pathologische Bildungen führt auch Kölliker 5) die Pacchionischen Granulationen »der Pia mater» auf.
Sie sitzen, nach ihm, zu beiden Seiten der grossen Sichel, an den Flocculi, in den Plexus chorioidei u. s. w., und
»bestehen vorzüglich aus einer derben faserigen Masse wie Bindegewebe».
Bald nachher 6) sagt er von ihrem Bau, dass sie »vorzüglich aus einer derben faserigen Masse wie unreifes
Bindegewebe» bestehen und dass sie »auch unentwickeltes elastisches Gewebe und Corpuscula amylacea» enthalten.
J) Handbuch d. menschl. Anatomie. Bd 1. Zweite Auflage. 1843.
2) Handbuch d. pathol. Anatomie. Bd II. 1844.
3) Traite d'Anatomie descriptive. 2:me Edition. T. IV. Paris 1845.
4) The Cyclopjedia of Anatomy and Physiology. Vol. III. 1847.
5) Mikroskop. Anatomie. Bd. II, 1. Leipzig. 1850.
6) Handbuch der Gewebelehre. Leipzig 1852.
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