http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/key1875-1/0188
172
Luschka *) ist unter den neueren Verfassern der Erste, welcher darzulegen suchte, dass die sog. Pacchio-
nischcn Granulationen gar nicht exsudative, sondern ganz normalmässige Bildungen, nämlich zottenförmige Verlängerungen
des Gewebes der Arachnoidea sind. Er nannte sie deswegen »Arachnoidealzotten». Bei Thieren (Rind,
Schwein, Schaf, Hund, Kaninchen etc.) kommen sie nach ihm nicht vor; dagegen constant beim Menschen. Bei
neugeborenem Kinde fand er gewisse Anfangstadien für die Bildung der Zotten. Es giebt nach Luschka zwei verschiedene
Arten derselben. Die Einen sitzen an der Oberfläche des Gehirns längs dem Sichelrande und sind Verlängerungen
der Arachnoidea visceralis. Die Anderen gehören der inneren Fläche der harten Hirnhaut längs dem
Sinus longitudinalis an und stammen von der Arachnoidea parietalis her. Die Annahme, dass alle Granulationen
der Dura mater von der Arachnoidea des Gehirns ihren Ursprung nehmen, ist deswegen irrthümlich. An dem von
Krause u. A. noch bezeichneten Stellen finden sich wohl bisweilen den Pacchionischen Drüsen äusserlich ähnliche
Körperchen, welche nur in pathologischen Veränderungen dort gelegener Gefässplexus begründet sind, aber mit
den Pacchionischen Drüsen weder das Substrat noch auch die feinere Zusammensetzung theilen; sie liegen stets
unter der Arachnoidea, sind von einem ausserordentlich massenhaften Epithel überzogen und zeigen auch bei aller
Veränderung noch reichlich Blutgefäss-schlingen.
Die erste Art, die an der Oberfläche des Gehirns vorkommenden Arachnoidalzotten, sitzen nur an dem oberen
abgerundeten sog. Sichelrande. Sie gehören nur der Arachnoidea, nicht der Pia, an. Ihre Grösse und Form ist
sehr verschieden, ihre Anzahl sehr wechselnd. Sie sitzen sowohl vereinzelt als dicht in Häufchen, nicht selten
traubenbeerähnlich zusammen. Am gewöhnlichsten bieten sie eine kolbige oder birnenähnliche Gestalt dar, auch
sind sie sehr oft schlauchartig in die Länge gezogen. Bisweilen sind sie am freien Rande eingekerbt, bisweilen
lappenartig zerfallen. Sie sind stets gestielt; die Stielchen sind ausserordentlich dünn, bald kürzer, bald länger.
Die Menge der Zotten ist oft so beträchtlich, dass die Sichelränder davon wie dicht besäet erscheinen, andere Male
aber sparsam und von einander abstehend. Die Farbe differirt wenig vom Ansehen der Arachnoidea; bei älteren
Individuen werden sie weisslich. Die kleinen Zotten sind fast immer solid, bei den grösseren bemerkt man häufig
eine völlig bläschenartige Beschaffenheit; diese konnte Luschka nur bei jungem Personen finden, während sie bei
vorgerückten Alter um so fester und derber befunden wTerden, je grösser, sie sind.
Bei mikroskopischer Untersuchung findet man nach ihm, dass sie dadurch entstehen, dass das völlig normale
Fasergewebe der Arachnoidea, ohne irgend seiner Structur fremde Elemente zu führen, sich ganz direct in sie sich
verlängert. Die sehr breiten, theils homogenen, theils fein gestreiften Bindegewebsfasern der Arachnoidea treten
convergirend aus der Ebene zu Stielen zusammen; gegen die freien kolbigen Enden gehen sie in verschiedener Weise
wieder aus einander. Eine Anzahl der Fasern verläuft am Ende der Zotte bogenförmig, andere aber, besonders
die breiten Fasern, ragen frei über das stumpfe Ende hinaus; dabei bilden sie Anhängsel von der verschiedensten
Form, die meist scharf umschrieben, völlig homogen und von der Farbe und Pellucidität sehr breiter, homogener
Bindegewebsbänder sind, recht häufig aber eine zarte Längsstreifung und sogar den Anfang zu einem wirklichen
faserigen Zerfallen zeigen; in einzelnen Fällen erkennt man in ihnen auch einen homogenen, länglichen Kern.
Gleich der Arachnoidea besitzen die Zotten ein nur mangelhaftes Epithelium; man sieht es immer nur zu einzelnen
Plättchen auf ihnen liegen. Sonst giebt es in den Zotten keine andere Elemente: Blutgefässe finden sich zu keiner
Spur vor. Die andere Art der Zotten, die aus dem parietalen Blatte der Arachnoidea stammender], sind der Ausdehnung
des Längsblutleiters entsprechend ausgebreitet. Gegen den oberen Rand der Sichel bildet die harte Haut
ein eigentümliches Trabeculargewebe, ein Netzwerk mit zahllosen, grösseren und kleineren Maschen. An vielen
Stellen entstehen grössere Räume und Canäle zwischen den Faserlagen. Hier zeigt die Arachnoidea parietalis ein
eigenthümliches Verhalten. Während sie sonst überall fest mit der Dura verwachsen ist, bildet sie hier in die Lücken
des Netzwerks frei endigende, zottenförmige Verlängerungen. Diese gelangen einerseits in die Räume zwischen den
Faserlagen nächst dem Sinus bis an die äussere Fläche der Gefässhaut desselben, drängen diese vor sich her und
ragen so von ihr überzogen mehr oder weniger in sein Lumen; oder sie entwickeln sich mehr gegen das Schädeldach
hin, drängen die Faserung der Dura mater auseinander und bohren sich allmählig grubenartige Vertiefungen;
anderntheils aber treten sie aus den Lücken heraus gegen das Gehirn zu und hängen frei von einzelnen Faserbündeln
herab, so dass meist eine grössere Anzahl frei liegend zu den Seiten des Sinus gefunden wird. Bei jugendlichen
Individuen sind die Zotten der Arachn. parietalis nur klein, bei älteren »stets mächtig und ragen tief herab,
) Archiv f. Anatomie, Physiologie u. wissensch. Medicin. Jahrg. 1852.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/key1875-1/0188