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brochen ist, was aber nur ausnahmsweise stattfindet. Die netzförmig durchbrochenen Stellen der Dura sind nämlich
von einem weichen fibrillären Zellstoffe erfüllt. Diese Bindesubstanz ist es nun, welche zu zottenartigen Vegetationen
auswächst, die allerlei Gestalten darbieten, indem sie theils keulenartig, theils pflanzlichen Blättern ähnlich geformt
und sowohl einfach als auch in der verschiedensten Weise gelappt und zerklüftet sind. Man findet sie vereinzelt
und in dichteren Gruppen beisammenliegend; in der Regel sind sie sehr klein, erreichen aber auch, hypertrophirt,
den Umfang von gewöhnlichen Linsen. Sie sprossen zum kleinsten Theile gegen das Schädelcavum hinein; viel
mehr wuchern sie gegen die innere Fläche der Knochen, wo sie rundliche Gruben und Vertiefungen in der Knochensubstanz
hervorbringen. Solche Gruben findet man in den meisten Fällen ihres Vorkommens im unteren Abschnitte
der vorderen Hälfte der Schuppe des Schläfenbeines, besonders im Bezirke der Sutura spheno-temporalis, oder im
grossen Flügel des Keilbeines selbst, nicht selten aber auch in der Gegend der Sutura petro-squamosa und auf dem
Tegmentum tympani. Manche dieser Vegetationen dringen in das Innere der den Stamm der Arteria meningea
begleitenden Vense meningese median hinein oder erstrecken sich auch wohl zum Foramen ovale. Rücksichtlich der
Structur bestehen sie vorzugsweise aus fibrillärer Bindesubstanz, in welcher stets einzelne ring- oder spiralförmig
von feinsten elastischen Fibrillen umwickelte Bündel vorkommen. Ueber die Oberfläche der meisten dieser Zotten
erheben sich kleine Auswüchse, welche entweder nur aus structurloser Bindesubstanz bestehen oder da und dort
einen rundlichen, der Essigsäure Widerstand leistenden Nucleus enthalten.
Ludw. Meyer *) fand, dass in der Umgebung der Pacchionischen Granulationen stets eine Trübung und Verdickung
der Arachnoidea vorkomme. Je nachdem sie der Arachnoidea unmittelbar ansitzen oder ihr Zusammenhang
mit dieser Basis ein einfach oder zweifach vermittelter ist, nennt er sie primäre, secuncläre und tertiäre Zotten.
In vielen Fällen zeigten die kurzen Stiele einfacher Granulationen eine Einschnürung in der Mitte, welche durch
eine concentrische Lage von elastischen Fasern bedingt ist, die vom Anheftungspunkte ab den Stiel spiralig umgaben.
Die nicht gestielten scheinen zuweilen ihr Gewebe wie durch eine von feinen Spiralfasern umgebene Lücke der
Arachnoidea vorzudrängen; wahrscheinlich wachsen diese flacke Vorwölbungen später zu halbovalen, schlau chartigen
Gebilden aus. Die weitere Entwickelung der primären Zotten zu den grösseren verästelten beruht auf der Bildung
secundärer Auswüchse und Spaltung des Gewebes der primären Zotte. Alle Granulationen sind von einem vollständigen
Epithelüberzug bekleidet. Dieser ist meist stärker entwickelt als an dem ebenso vollständigen Epithel
der Arachnoidea. Das Epithel der Granulationen bildet gewöhnlich mehrfache (mindestens zwei) Schichten grosser
kernhaltiger Zellen, deren Inhalt weniger gleichmässig und minder durchsichtig ist als an den normalen Epithelien
der Arachnoidea und häufiger Fettkörnchen, zuweilen auch grössere Fettbläschen enthält. Die Epithelien haften in
der Regel leicht an einander, und der Epithelialüberzug lässt sich handschuhfingerartig abstreifen. Ein hypertrophischer
Zustand des Zottenepithels ist nach ihm ein gewöhnliches Vorkommen. Bei kleineren Zotten, besonders
bei sehr kleinen tertiären, überwiegt zuweilen die Entwickelung des Epithels das Bindegewebe um ein Beträchtliches.
Epithelgranulationen finden sich, wenn auch vereinzelt, stets an dem Ueberzuge der Pacchionischen Granulationen.
Verkalkung und Verknöcherung kommt in ihnen vor und zwar im Epithel. Sonst zeigen sie die verschiedensten
Differenzen in Bezug auf die Dichtigkeit des Bindegewebes. Ein bedeutendes Oedem der Gehirnhäute verbreitet sich
bei starkem Druck dieser Flüssigkeit auf die Pacchionischen Zotten. Bei eitriger Meningitis sah Meyer einmal eine
derartige serös-eitrige Infiltration sämmtlicher Pacchionischen Zotten. Ihr Gewebe zeigte sich von Eiterkörperchen,
deren Kernen und Fettbläschen durchsetzt; so auch von Blutkörperchen bei Apoplexie der Gehirnrinde. Häufiger,
wenn auch selten, dringt das Blut vom Blutleiter durch die auf irgend eine Weise verletzte Gefässhaut in einzelne,
in das Lumen hineingewachsene Zotten.
Ueber den Sitz der Pacchionischen Granulationen lieferte Meyer genauere Angaben. Er erkannte kein anderes
Arachnoidalblatt als das viscerale. Die Granulationen entspringen von ihr. Die innerhalb der Dura mater sowie
in den Gruben der inneren Glastafel sich vorfindenden sind von der Arachnoidea aus hineingewachsen. Innerhalb
der Dura mater selbst greifen die Zotten so mannigfaltig und innig in das Maschenwerk der vielfach zertheilten
Faserbündel ein, dass man in den meisten Fällen nicht im Stande ist zu entscheiden, ob man es mit einer wirklichen
stielartigen Insertion der Zotte oder mit feinen umschlingenden Trabekeln zu thun hat. Durch eine feine Präparation
der Granulationen in situ kann man sich überzeugen, dass sie sämmtlich Stielen angehören, welche durch Löcher
dieser innersten Dura-mater-Schicht mit der Arachnoidea in Verbindung stehen und für viele Zotten den gemeinsamen
Stamm bilden.
!) Archiv f. pathol. Anat. u. Physich u. f. Min. Medicin. Bd 19. 1860.
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