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In Betreff der Verbreitung der Pacchionischen Granulationen wies Meyer nach, dass sie nicht nur beiderseits
am Sichelrande vorkommen, sondern, wenn auch nicht in gleicher Constanz, an mehreren anderen Stellen. Auf der
Convexität kommen einzelne Gruppen leicht in einer beträchtlichen Entfernung vom Sichelrande vor; eine Entfernung
von 3 Cm. ist gewöhnlich, 4—5 Cm. nicht selten. Auf den Vorderlappen erstrecken sie sich so fast bis zur Basis.
In der Fossa Sylvii sind sie gleichfalls stärker vertreten. An der Basis des Schläfenlappens kommen sie in den
verschiedensten Graden der Entwicklung vor. Gewöhnlich sitzen sie an dem vorderen halbkugligen Wulste, seltener
und beschränkter in den äusseren Partien, in der Regel nach der Richtung der Art. und Ven. meningese geordnet.
Sie bilden hier Eindrücke im Knochen und dringen gelegentlich in das Lumen der Venee meningeae vor; ganz wie
am Sinus. Nach Entfernung der Dura mater lässt sich der Einfluss der Meningealgefässe auf die Entwicklung der
Zotten mit Deutlichkeit verfolgen. Indess sind die Sulci meningei keineswegs allein bestimmend für den Sitz der
Zotten. So finden sich vereinzelte Foveas glanduläres an der senkrechten inneren Partie der Lamina triangularis
in der Nähe der Fissura orbitalis und des Foramen rotundum. Die stärkste Entwicklung pflegt sich jedoch in der
Tiefe der mittleren Schädelgrube zu concentriren. Aeusserst häufig finden sie sich in zwei beschränkten Stellen
des Hinterlappens, erstens an seinem hinteren, etwas zugespitzten Ende, welches in seiner Lage genau dem Winkel
entspricht, den der Sinus longitudinalis superior mit dem Sinus transversus bildet, und zweitens in etwas grösserer
Ausbreitung an der Grenze des Mittellappens, dem inneren Winkel des Sinus transversus gegenüber, da wo er den
Sinus petrosus superior aufnimmt und in die Fossa sigmoidea einbiegt. Meist in grosser Verbreitung aber schwacher
Entwicklung- finden sich die Pacchionischen Granulationen an der Arachnoidea des kleinen Gehirns. Von der in
der Regel dichter besetzten Incisura cerebelli posterior ziehen sich linienartig schmale Streifen zarter Zotten über
die Mitte des Oberwurms und längs des freien Randes jeder Hemisphäre von hinten nach vorn. An den vorderen
Partien pflegen sie weniger deutlich entwickelt zu sein ; in ihrer Breitenentwicklung können sie etwas auf die Oberlappen
übergehen. Die frei übergespannte Arachnoidea der Basis fand Meyee stets frei von Zotten. In geringer
Entwicklung sind sie stets bei Erwachsenen am freien Rande des Kleinhirns vorhanden. Dagegen sah er eine auch
nur massige Entwicklung derselben an der Basis des Schläfenlappens immer mit entschiedenen Symptomen von
Gehirnerkrankung verknüpft.
In Rücksicht auf die Aetiologie der Pacchionischen Granulationen betont Meyer ihr Vorkommen im Verlaufe
fast sämmtlicher Blutleiter der harten Hirnhaut, welche den Gehirnwindungen näher liegen. Die sich auf die Gegenden
der Blutleiter concentrirenden Hirnbewegungen können nach ihm bei einiger Ausdehnung und Intensität nicht ohne
Zerrung und Reibung verlaufen, Insulte, welche wieder zunächst und am stärksten die Arachnoidea treffen. Diesen
lokalen Insulten verdanken, seiner Ueberzeugung nach, die zottenförmigen Wucherungen der Arachnoidea ihre Entstehung
. Wie einerseits die Blutwallungen im Gehirn mit physikalischer Notwendigkeit zu Bewegungsphänomenen
an den Blutleitern führen, so führt die Entwicklung der Pacchionischen Granulationen grade durch die Beschränktheit
ihres Verbreitungsbezirks auf die allgemeinen Circulationsstörungen innerhalb der Schädelhöhle zurück. Ihr
histologischer Character entspricht recht gut ihrer Hervorrufung durch äussere mechanische Reizung. Der hypertrophische
Zustand des Zottenepithels sei gleichfalls der Voraussetzung einer lokalen mechanischen Reizung günstig.
Nach Hyrtl x) sitzen die Pacchionischen Granulationen auf einer milchig getrübten Stelle der Arachnoidea.
Ihre Entwicklung kann unter Umständen so zunehmen, dass sie die harte Hirnhaut durchbohren. Bei Kindern hat
Hyrtl sie nie angetroffen. Die mikroskopische Untersuchung »reiht sie unter die organisirten Producte krankhafter
Ausschwitzungen». Der Ansicht Luschkas, dass sie normale Bildungen sind, welche den zottenartigen Verlängerungen
anderer seröser Häute entsprechen, stimmt Hyrtl nicht bei, »da das öfters vorkommende Hineinwuchern der Pacchionischen
Granulationen in die Sinus durse matris einem normalen Gebilde widerspricht».
In Quains Anatomy 2) findet man die Pacchionischen Granulationen als vorzugsweise vom cerebralen Blatt
der Arachnoidea, aber auch von der serösen Fläche der Dura mater ausgehend. Beim neugeborenen Menschen
werden sie nicht gefunden. Bei Thieren scheint keine ähnliche Bildung vorzukommen.
In seiner letzten Darstellung der Hirnhäute 3) bleibt Luschka bei seinen früheren Ansichten von den Pacchionischen
Granulationen. »Wenn man nun auch zugeben muss», sagt er, »dass die sog. Arachnoidea parietalis nur ein
Plättchenepithelium der Dura mater darstellt, so darf doch nicht unerwähnt bleiben, dass an den Durchtrittstellen
1) Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 8 Auflage. 1863.
2) Quains Anatomy. Seventh Edition. Part II. London 1866.
3) Die Anatomie des Menschen. Bd III. 2 Abtheil. Tübingen 1867.
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