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Histologische Beschreibung.
Der Stamm des Opticus.
Unsere eigenen Untersuchungen über das Innere des Sehnerven beziehen sich sowohl auf den feineren Bau
desselben als auf seine Saftbahnen. Wir werden indessen hier besonders die Fragen ausführlicher besprechen,
welche uns in den Auffassungen anderer Forscher unrichtig dargestellt oder zweifelhaft erscheinen. Vor Allem haben
wir die Verhältnisse beim Menschen verfolgt; bei Thieren aber nur, wenn uns eine Verg-leichuiiff von Wichtigkeit
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erschien. Unsere Schilderung betrifft deswegen den Menschen speciel.
Der extrabulbäre, oder richtiger, der von den Scheidenräumen (Subdural- und Subarachnoidalraum)
umgebene oder markhaltige Theil des Opticus, der eigentliche Sehnervenstamm, welcher rings herum von der Pial-
scheide umfasst wird, besteht aus drei verschiedenen Bestandteilen, den Nervenfasern selbst, den blutgefäss-
führenden Bindegewebsbalken und den eigentümlichen, die Saftspalten durchziehenden Zellen.
Die Nervenfasern ordnen sich, wie bekannt, nachdem sie das Chiasma verlassen, zu bestimmten Bündeln
welche den ganzen Opticus hindurch einander parallel verlaufen. Am Längsschnitt gesehen sind die Bündel ziemlich
gleich breit, doch ist zuweilen die Breite der verschiedenen Bündel etwas verschieden. Hie und da sieht man sie,
wenn man die Längsschnitte vom centralen Ende nach der Peripherie hin durchmustert, sich in zwei dünnere theilen
und die beiden so entstandenen Bündel setzen sich dann parallel neben einander fort. An anderen Stellen findet
man zwei Bündel zu einem verschmelzen. Am Querschnitt des Opticus sieht man nun die Bündel als die bekannten
polygonalen, abgerundet eckigen Figuren sich zu dem ganzen Stamm ordnen. Sie sind indessen von sehr verschiedener
Grösse und Gestalt; die grösseren zerfallen in mehrere kleinere sog. secundäre Bündel; so zum Theil
auch die kleineren, nur die kleinsten erscheinen nicht weiter zerspaltet. Das die Bündel von einander trennende
Gewebe werden wir bald unten beschreiben.
Die Nervenbündel sind alle aus einer grossen Menge feiner Nervenfasern zusammengesetzt, welche ganz denselben
Character wie die weissen Fasern der Tractus optici und der Centraiorgane überhaupt darbieten, d. h. sie
bestehen aus sehr feinen Axencylindern, welche mit dünnen Myelinscheiden umgeben sind. Diese Myelinscheiden
sind besonders leicht durch Ueberosmiumsäure darzustellen; man findet dann dass dieselben von verschiedenem
Durchschnitt sind, dass dies aber am meisten auf ihrer varikösen Beschaffenheit beruht. Die Varikositäten sind indessen
nicht bloss durch die Ansammlung des Myelins verursacht; am Querschnitt derselben sieht man im Gegen-
theil gewöhnlich einen hellen Raum, wie von einer angesammelten Flüssigkeit zwischen dem Axencylinder und
der Myelinscheide gefüllt. Auch am Längsschnitt findet man an den Varikositäten einen hellen Raum zwischen der
Myelinscheide und dem Axencylinder. Welche Tragweite diese Thatsache haben kann, mögen kommende Untersuchungen
erläutern. Es scheint indessen als ob im Allgemeinen die Varikositäten grösstenteils auf der Präparation
beruhen. Wie Schwalbe bemerkt, erhält man durch Silberimprägnation des frischen Sehnerven die Nervenfasern ohne
solche Varikositäten. Zwischen den aus solchen Nervenfasern bestehenden Bündeln spannt sich nun ein reichliches Gerüst
von steifen bindegewebigen Balken. Es sind dies die schon oben bei der Besprechung der Piaischeide beschriebenen.
Da diese Balken innig mit der Piaischeide zusammenhängen und zum Theil ihr Gewebe direct aus derselben beziehen,
kann man sie gewissermassen als eine Invasion vom Gewebe der Piaischeide auffassen. Am Längsschnitt (Taf. XXXII
Fig. 1; Taf. XXXIV Fig. 3) findet man also zwischen den Nervenbündeln längsgehende, bindegewebige Säulen, welche
quer oder schief über die einzelnen Bündel Verbindungszweige zu einander senden. Am Querschnitt scheint es als ob
ein mehr zusammenhängendes, die Bündel umfassendes Scheidensystem diese von einander trennte. Durch vorsichtio-es
Schütteln der Längs- und Querschnitte mit Wasser kann man das Bindegewebsgerüst von den Nervenbündeln oft in
grosser Ausdehnung isoliren und man erhält dadurch eine übersichtliche Auffassung seiner Natur und Anordnung. Man
findet dann z. B. am Längsschnitt (Taf. XXXV Fig. 5), dass es aus dickeren und dünneren Bündeln besteht, welche in
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 51
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