http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/key1875-1/0218
202
der verschiedenartigsten Weise untereinander zusammenhängen. Die dickeren gehen der Axe des Sehnerven parallel
und sind wie festere, ungefähr gleichmässig von einander abstehende Säulen so angeordnet, dass sie das ganze Gerüst
stützen. Es sind dies die schon oben beim Längsschnitt erwähnten, zwischen den Opticusbündeln verlaufenden,
dickeren Längsbündel; auch am isolirten Gerüst nimmt man die verflochtenen Räume zwischen diesen Längsbalken
deutlich wahr, in welchen die Nervenbündel verlaufen. Die Anordnung derselben ist indessen an verschiedenen Stellen
mehr oder weniger deutlich ausgedrückt. Zwischen den Längssäulen laufen nun zahlreiche, schmälere Verbindungsbalken
quer oder schief hinüber, und dies in sehr verschiedener Weise und Anzahl, so dass die Lücken zwischen
ihnen von sehr verschiedener Grösse und Form sind (Taf. XXXV Fig. 5). Die Balken sind meistens ziemlich abgeplattet
, viele sogar ganz platt besonders an ihren Ansetzungen zu anderen Balken, wo sie dreiseitige Ausbreitungen
zeigen. Sie sind eigentlich, wenn sie in situ liegen, steif, fest und gespannt; an Isolationspräparaten verlieren sie
theilweise ihre Festigkeit und können dann etwas schlaffer erscheinen. Am Querschnitt erhält man an Isolationspräparaten
ganz übereinstimmende Bilder. Ein solches Balkengerüst durchzieht nun den ganzen Sehnervenstamm
und hält die Nervenbündel wie in einem Korbwerk aufgehängt. An Schnitten, längsgehenden sowohl als queren,
welche auch die Piaischeide enthalten, sieht man überall quere oder schiefe Balken aus ihr entspringen, um in das
übrige Gerüst überzugehen. Diese Verbindungsbalken der Piaischeide entstehen grösstentheils aus den an der Innenseite
der Scheide befindlichen längsgehenden Fibrillenzügen. Am vorderen Theil des Sehnerven, welcher wie bekannt
die Arteria und Vena centralis und das diese Gefässe begleitende längsgehende Bindegewebe enthält, steht das Balkengerüst
in inniger Verbindung mit diesem Bindegewebe (Taf. XXXII Fig. 1), indem Balken von demselben ins Gerüst
übergehen.
Betreffs der eigentlichen* Structur dieses ganzen Balkengerüstes so findet man dasselbe überall aus festem
fibrillärem Bindegewebe bestehend, dessen Fibrillen im Allgemeinen in der Längsrichtung der einzelnen Balken gehen,
so dass in den Längssäulen ihre Richtung longitudinal, in den queren Verbindungszweigen dagegen quer ist, wobei
die verschiedenen Balken ihre Fibrillen austauschen. Im Inneren aller diesei Balken und Balkenzweige verlaufen
nun immer Blutgefässe, von denen die meisten capillar sind. Diese Gefässe liegen im Allgemeinen in der Mitte
der bezüglichen Balken, eins in jedem; hie und da sieht man indessen in breiteren Balken zwei solche Gefässe,
welche dann näher an den Rändern des Balkens gehen. Fast überall, wo die Balken selbst zusammenlaufen, ana-
stomosiren auch die Blutgefässe derselben. Das Balkengerüst erscheint also als der Träger der Blutgefässe des Sehnerven
oder wie man auch sagen kann, diese bilden ein vom fibrillären Bindegewebe umscheidetes Netz in seinem
Inneren, zwischen den Nervenbündeln. In Uebereinstimmung mit ihrer capillaren Natur besitzen die Gefässe auch
im Allgemeinen nur eine einzige Wandschicht, deren Kerne nach Färbung der Präparate schön hervortreten. In den
fibrillären Balken sieht man auch hie und da einzelne, längliche Kerne zwischen den Fibrillen gelagert. Durch Zusatz
von Essigsäure werden keine elastische Fasern sichtbar; die Balken schwellen dabei stark an und ihre Kerne
werden deutlicher. Die Oberfläche der Balken ist an Präparaten, welche lange mit Wasser geschüttelt wurden, glatt
und eben, die Ränder derselben sogar oft scharf. Man findet an diesen Präparaten kein bedeckendes Endothel.
Wenn aber ein schwächeres Isoliren geschah, d. h. wenn die Präparate nur wenig geschüttelt sind, findet man die
Balken von einem eigenthümlichen Gewebe umsponnen, dessen eigentliche Natur nicht eben leicht zu verstehen ist.
Rings um die Balken, dieselben aber nur ziemlich lose umgebend, liegt ein schleierartiges körnig-faseriges Netz, in
welchem mehr oder weniger zahlreiche Kerne eingebettet sind (Taf. XXXV Fig. 6). Es ist dies das dritte Gewebs-
element des Opticus, die eigenthümlichen, zelligen Elemente und die sog. »Neuroglia)). Schon an den Isolationspräparaten
kann man gute Nachrichten von seiner Natur erhalten. Es gelingt nämlich nicht eben selten freie
Zellelemente dadurch zu isoliren. Man findet dieselben dann aus einem ovalen, schwach abgeplatteten Kern und ein
diesen umgebendes, plattes Protoplasma bestehend, von welchem nun mehr oder weniger zahlreiche, feine und lange,
sich bald verzweigende, faserige Ausläufer abgehen; an diesen Ausläufern, welche oft ein intricates Netz mit einander
bilden, haftet eine mehr oder weniger reichliche Menge eines körnigen Protoplasma (Taf. XXXV Fig. 5, 6).
Von diesem Gewebe sind also die Balken umsponnen; es haftet denselben an, bildet aber kein wirkliches zusammenhängendes
Endothel auf denselben.
Das letztgenannte Gewebe, die zelligen Elemente des Sehnerven, studirt man indessen am besten an
Schnitten, die durch neutralen Carmin gefärbt sind. Wenn der Sehnerv zuerst in Müller'scher Lösung und dann in Alkohol
erhärtet ist, lassen sich sehr feine Schnitte davon machen. Wenn diese dann mit Carmin gefärbt und durch Glycerin
aufgeklärt sind, sieht man schon bei schwacher Vergrösserung (Taf. XXXII Fig. 1) eine Unzahl von roth gefärbten
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/key1875-1/0218