http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/key1875-1/0219
203
Kernen, welche zwischen den bindegewebigen Balken und den Nervenbündeln, sowie auch im Inneren der letzteren
liegen. An Längsschnitten findet man diese Zellen in langen Reihen dicht angeordnet, und schon bei dieser Ver-
grösserung kann man wahrnehmen, dass sie in wirklichen Spalten zwischen den Balken und den Nervenbündeln
ebenso wie in spaltenförmigen oder canalartigen Räumen im Inneren der Bündel sich finden. Schon jetzt sieht man
auch hie und da quer über die Balkensäulen oder dort, wo diese durch Maschen unterbrochen sind, kleine, mit Kernen
erfüllte Verbindungen der Kernreihen (Taf. XXXII Fig. 1). Dies Alles tritt nun bei stärkerer Vergrösserung (Hartn.
Obj. 7 und noch mehr Immers. Obj. 9 und 10, Ocul. 3) deutlicher hervor. Man sieht nun überall zwischen den Nervenbündeln
die erwähnten spaltenförmigen Räume (Taf. XXXIV Fig. 1, 2, 4—6). Diese Räume befinden sich überall an
der Peripherie der Nervenbündel; wo hier Balken liegen, befinden sich die Räume zwischen den Nervenbündeln und
den umgebenden Balken; wo dagegen keine Balken vorhanden sind, also in den Maschenräumen des Balkengewebes,
liegen sie zwischen den aneinander grenzenden Nervenbündeln selbst und sind hier am weitesten. Ferner sieht man
auch die im Inneren der Bündel selbst verlaufenden longitudinalen, canalförmigen Räume (Taf. XXXIV Fig. 1). In
diesen Räumen findet man die Kerne wieder, aber jetzt nicht mehr als solche allein, sondern als wirkliche Zellen,
d. h. die Kerne sind von einer mehr weniger abgeplatteten Protoplasmazone umgeben, von welcher eine grössere oder
geringere Anzahl von feinen fadenartigen oder mehr häutchenförmig abgeplatteten Ausläufern oder Flügeln nach verschiedenen
Richtungen ausgehen. Diese Zellen liegen theils den Wänden der Spaltenräume mehr dicht an, theils und
dies ist das Gewöhnliche, haften sie an denselben nur mit einer Partie ihres Protoplasma, wie mit einem Fuss an und
sind sonst im Lumen des Spaltenraums frei ausgespannt, im Allgemeinen doch der einen Wand näher. Sehr oft sieht
man die Zellen also alternirend den entgegenstehenden Wänden des Raumes anliegen. Das Protoplasma der Zellen
ist in verschiedenen Richtungen durch den Raum verzweigt und anastomosirt in mannigfacher Weise, kleinere, helle,
blasenartig erscheinende, in den verschiedensten Richtungen verlaufende Lücken und Canäle zwischen den Verzweigungen
zeigend. Es sind dies ganz dieselben Zellen, welche oben bei der Beschreibung des isolirten Bindegewebsgerüstes erwähnt
wurden. Wenn man die Oberfläche eines Nervenbündels betrachtet, sieht man es also mit einem körnig-faserigen, verzweigten
und anastomosirenden Ueberzug bekleidet, in dessen Knotenpunkten eine nicht unbedeutende Zahl von Kernen
in verschiedener Tiefe vertheilt liegen; zwischen den Ausläufern sieht man dann in verschiedenem Niveau die erwähnten
hellen Räume und Gänge (Taf. XXXIV Fig. 4—6). Es ist oft ziemlich schwer, ein solches Bild in seinen einzelnen
Elementen, den Zellen, aufzulösen, weil dieselben ein zusammenhängendes protoplasinatisches Gewebe bilden. Bei
näherer Durchmusterung gelingt es doch im Allgemeinen die einzelnen Zellenkörper zu unterscheiden, und an Stellen,
wo sie mehr isolirt liegen, erkennt man ihre Gestalt ohne besondere Schwierigkeit (Taf. XXXIV Fig. 4, 6). Sie sind
indessen ziemlich proteusartige Bildungen; bald schiesst das Protoplasma mehr von einer Seite der Zelle hinaus, ist mehr
einseitig angesammelt, bald liegt es mehr rings um den Kern. Die Ausläufer sind von sehr wechselnder Anzahl
und gehen in verschiedenen Richtungen ab; das Protoplasma derselben ist auch in wechselnder Menge vorhanden.
Die Ausläufer bleiben indessen nicht nur an der Oberfläche der Nervenbündel und in den Spaltenräumen, sie dringen
im Gegentheil allerwärts in die Nervenbündel selbst, d. h. zwischen den Nervenfasern, hinein. Schon bei mittelstarker
Vergrösserung (Hartn. Obj. 7, Ocul. 3) nimmt man an den Nervenbündeln eine deutliche und dichte Querstreifung
wahr, welche hie und da sich offenbar zu den Zellen referirt (Taf. XXXIV Fig. 1). Bei (stärkerer Vergrösserung
kann man auch oft diese feine Streifen als feine faden- oder häutchenartige Ausläufer der Zellen der Spaltenräume
erkennen (Taf. XXXIV Fig. 6). Sie laufen im Allgemeinen nur quer oder etwas schief in die Nervenbündel hinein;
an vielen Zellen sieht man auch, dass sie ihre Ausläufer überwiegend in querer Richtung absenden; die Kerne dieser
Zellen liegen auch oft der Quere nach. Im Inneren der Bündel, zwischen den Nervenfasern, findet sich ein körniges
Gewebe in wechselnder Menge; ob dies nur als ein die Zellenausläufer von den Spaltenräumen aus begleitendes
Protoplasma, was gar möglich ist, oder zum Theil auch als ein besonderes »Neuroglia» aufzufassen ist, ist wohl nicht
leicht endgültig zu entscheiden.
Wir haben bis jetzt nur von dem Verhalten der Zellen an Längsschnitten gesprochen. An Querschnitten
bekommt man dieselbe Auffassung von ihrer Beschaffenheit und Anordnung. Nur in letzterer Beziehung erhält
man noch einige weitere Aufschlüsse. Es bezieht sich dies auf die Spaltenräume im Inneren der Nervenbündel.
Man findet nämlich (Taf. XXXIV Fig. 2), dass diese von einem im Allgemeinen ziemlich reichlichen System
von Gängen durchzogen sind, welche am Längsschnitt nur als longitudinale Canäle erscheinen, die in die Räume
an der Oberfläche münden, sich im Inneren der Bündel verzweigen und dieselben in verschiedenen Richtungen
durchlaufen. Auch cylindrische, canalartige, longitudinale Gänge sind am Querschnitt hie und da zu sehen;
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/key1875-1/0219