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Die Lamina cribrosa.
Etwas hinter dem vorderen Ende der Scheidenräume (Subdural- und Subarachnoidalräume) des Sehnerven
beginnt die bekannte Verengerung dieses Nerven (Taf. XXXII Fig. 1). Der Nervenstamm, welcher sonst in seinem
intraorbitalem Verlauf von beinahe demselben Caliber ist, verjüngt sich von hier ab conenförmig bei seinem Durchtritt
durch die Häute des Bulbus allseitig und schnell ungefähr bis zur Mitte der Dicke der Chorioidea; hier misst
er am Längsschnitt nicht viel mehr als die Hälfte des extrabulbären Stammes. Dann vergrössert er sich wieder
schnell, um sich über die Retina als ihre Opticusfaserlage auszubreiten. Der Durchtritt des Nerven durch die Häute
des Bulbus entspricht ziemlich genau der Region der Lamina cribrosa. Diese beginnt nämlich in der Regel im Niveau
mit oder bald vor dem vorderen Ende oder, wie wir es nennen wollen, Fundus der Scheidenräume und reicht bis zum
vorderen Niveau der Chorioidea. Man kann zwei Abtheilungen in der Lamina unterscheiden, eine hintere, die sclerale,
wo sie durch die Sclera geht, und eine vordere, die chorioidale, wo sie die Chorioidea durchläuft. Ausser durch
die Verjüngung des Nerven ist, wie bekannt, die Lamina durch ihren Bau characterisirt. Schon bei schwacher Ver-
grösserung erkennt man durch ihr hellglänzendes Aussehen die Ausdehnung dieser Bildung; man findet auch ohne
Schwierigkeit, dass dieser helle Glanz theils auf einer veränderten Beschaffenheit der Nervenfasern, theils aber auf einer
reichlichen Menge der Quere nach verlaufender, ziemlich feiner Balken beruht. Durch Behandlung mit Ueberosmium-
säure überzeugt man sich leicht davon, dass die Nervenfasern auf einmal beim Eintritt in die Lamina ihre Markscheiden
abgeben, eine Thatsache, welche man schon lange gekannt hat, obwohl man in der letzteren Zeit darüber wieder
zweifelhaft geworden zu sein scheint. Sie legen sich jetzt als überaus feine Axencylinder zu schmalen Bündelchen dicht
zusammen und diese laufen, zu dickeren Bündeln vereinigt, in ziemlich parallelen Reihen unter nur sehr spärlichen
Anastomosen durch die Lamina hindurch, grössere Zwischenräume zwischen sich lassend. Aber auch im Innern der
Bündel, zwischen den schmalen Bündelchen, nimmt man längliche, relativ breite Spaltenräume wahr, in welchen man
keine Gewebselemente findet. Am Querschnitt der Lamina wird man leicht zweifelhaft über das, was man als Nervenfasern
und Bündelchen ansehen mag. Bei aufmerksamer Durchmusterung findet man indessen, dass die Nervenfaserbündelchen
sich als rundliche, polygonale oder sogar als sternförmig zusammenhängende Figuren präsentiren, an
welchen eine feine Punktirung als Ausdruck der dieselben zusammensetzenden feinen Axencylinder wahrzunehmen ist
(Taf. XXXIV Fig. 14 a). ^Zwischen den Bündelchen sind Spalten vorhanden, welche gewöhnlich ungefähr dieselbe Breite
haben wie die Bündelchen: Nur selten sind die Bündelchen, ohne solche Spaltenräume, zu einem einzigen, dickeren
Bündel vereinigt. Bei verschiedenen Untersuchungsmethoden haben wir die soeben beschriebenen Verhältnisse in
dieser Weise gesehen. Das quergehende Balkennetz der Lamina cribrosa ist eine unmittelbare Fortsetzung des oben
beschriebenen Balkennetzes des Opticusstammes; es wird aber dabei schnell modificirt und erhält einen anderen
Character. Die hintere Grenze ist gewöhnlich ziemlich bestimmt, zuweilen sehr scharf, zuweilen rechtwinklig gegen
die Opticusaxe, gewöhnlich aber von aussen nach der Mitte schief nach hinten convex gerichtet (Taf. XXXII Fig. 1).
Bisweilen sieht man an den beiden Hälften eines Nerven diese beiden Variationen neben einander. Beim Uebergang
des Balkensystems des Nerven Stammes in das der Lamina werden also die queren Balken dünner und dichter, ja sehr
dicht, die längsgehenden Säulen aber verschwinden bald vollständig. Von jetzt an ist es in mehrfacher Beziehung schwer
das Verhalten und die Beschaffenheit der Balken genau zu eruiren. Man erkennt zwar ohne Schwierigkeit den allgemeinen
Character des Balkenwerkes; die Vertheilung desselben ins Einzelne ist aber nicht eben leicht auszufinden und zu beschreiben
. Schon bald nach dem Uebergang in die Lamina sieht man die nun fast bloss quergehenden Balken in mehrere
zerfallen und sich wieder mit anderen vereinigen (Taf. XXXII Fig. 1; Taf. XXXIV Fig. 7). In dieser Weise laufen sie über
die Nervenbündel und ihre Spaltenräume her, in den letzteren mit einander anastomosirend. Aber schon im Anfang der
Lamma (Taf. XXXIV Fig. 7) wird die Vertheilung der Balken weniger deutlich; sie legen sich dichter beisammen und
gehen zahlreiche Anastomosen ein. Sie flechten sich bogenförmig quer über die Nervenbündel, elliptische quergehende
Spalten zwischen sich bildend, und umstricken in dieser Weise mit einem dichten Maschenwerk die Nervenbündel. Am
Längsschnitt gesehen sind sie sehr steif und glänzend; ihre Längsstreifung ist nicht eben stark ausgedrückt. Im Allgemeinen
sind sie etwas dicker und stärker im scleralen Theil. Man findet jetzt nicht mehr die Blutgefässe in ihnen eingeschlossen
, sondern zwischen ihnen verlaufend (Taf. XXXIV Fig. 8). Am Querschnitt der Lamina sieht man, in welchem
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 52
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