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duralraum aus stattgefunden hatte, lag die Masse zwischen der Dural- und der Arachnoidalscheide des Nerven;
wenn sie aber von den Subarachnoidalräumen geschah, fand man sie innerhalb der betreff. Arachnoidalscheide wieder,
welche letztere dadurch oft ziemlich stark ausgespannt war; wenn wir eine Doppelinjection von den beiden verschiedenen
Räumen her ausgeführt hatten, lag die Masse in den betreff, beiden Scheidenräumen des Nerven. Sie
war bei diesen verschiedenen Injectionen fast immer zum Boden des Meatus internus fortgedrungen. Nun sahen
wir ferner bei Verfolgung der Injection durch die Lamina cribrosa, dass sie wirklich in einigen Fällen durch diese
sich fortgesetzt und eine Strecke weiter die Nervenzweige in der Lamina spiralis scheidenförmig begleitet hatte.
Es lag deswegen nahe anzunehmen, dass sie eben auf diesem Wege ins Labyrinth eingetreten sei, um so mehr
als wir bei näherer Untersuchung keine andere von Injectionsflüssigkeit gefüllte, zum Innerohr führende Bahnen
finden konnten. Indessen gelang es uns nicht, einen directen Zusammenhang der die Nervenzweige umgebenden
Scheidenräume mit dem serösen Raum des Labyrinths, wo die Injectionsmasse sich wiederfand, zu beobachten. Es
blieb deswegen hier immerfort ein Zweifel übrig. Der eben erwähnte seröse Raum, in welchem die Injectionsmasse
lag, war stets der perilymphatische Raum; in den meisten Fällen befand sich dabei die Masse an den Wänden der
Scalse, besonders d. Scala tympani, abgelagert; nur mehr selten und zwar spurweise sahen wir sie auch in der Umgebung
des Vestibulum und der Bogengänge.
Bei unseren seither fortgesetzten Injectionen an Thieren erhielten wir der Hauptsache nach ganz übereinstimmende
Resultate. Dabei wurde es uns indessen zweifelhafter, ob wenigstens in der Regel die Masse mit den Acusticus-
zweigen durch die Lamina cribrosa in den perilymphatischen Raum eintrete. In den ziemlich seltenen Fällen,
wo sie diesen Zweigen folgte, schien sie uns immer von deren Scheiden begrenzt in der Lamina spiralis geblieben.
Wir mussten deswegen nach anderen Bahnen suchen. Dabei boten sich eigentlich nur zwei dar, welche diese Rolle
ausführen könnten, nämlich der Aquaeductus vestibuli und der Aquaeductus Cochleae. Diese beiden waren ja schon
von CoTUGNO als »Wasserleitungen» des Innerohres bezeichnet worden und sogar als solche experimentel dargelegt.
Wir versuchten deswegen zuerst den Aquaeductus vestibuli in der betreff. Hinsicht zu verfolgen, und dies sogar beim
Menschen. Hier mag indessen erwähnt werden, dass es uns eben beim Menschen nicht gelungen war, bei den Injectionen
von den Subdural- resp. Subarachnoidalräumen aus die Injectionsmasse im perilymphatischen Räume wiederzufinden
; diese Thatsache wird aber leicht dadurch erklärt, dass man nie hinreichend frische Menschenleichen zu solchen
Injectionen bekommt. Die Masse begleitete indessen auch beim Menschen immer die beiden Acustici bis zur Lamina
cribrosa, ganz in derselben Weise wie bei den erwähnten Thieren (Hund, Kaninchen); durch diese Lamina sahen wir
sie aber bei ihm nie eingedrungen. Es kam deswegen darauf an, andere Methoden zu versuchen.
Merkwürdigerweise hat, ungeachtet der Hinweisung Boettchers auf das Vorkommen des membranösen Aquaeductus
vestibuli bei Katzen und Rindern, seit Cotugno noch keine Darstellung desselben beim Menschen, wenigstens nicht
beim erwachsenen, stattgefunden. Und doch ist derselbe in seinem cerebralen Theil hier stark entwickelt und gar leicht
zu finden. Man bekommt ihn am bequemsten in der Weise zu Gesicht, dass man eine Pars petrosa mit ansitzender
Dura ausnimmt und dann eben nach unten und etwas nach aussen vom Eingang des sog. Aquaeductus vestibuli
osseus einen ziemlich tiefen Schnitt in der Dura bis in die Nähe des Sinus lateralis macht; wenn man dabei tief
genug in die Duraschichten gedrungen ist, erblickt man einen geöffneten Sack, welcher sich nach den Seiten hin
eine Strecke fortsetzt. Macht man dann gegen den ersten Schnitt einen zweiten queren und hebt die also ent~
standenen vier Durazipfel auf, so liegt der ganze Sack geöffnet vor. Zwar hat er in verschiedenen Fällen eine etwas
verschiedene Gestalt und Grösse, ja sogar bei demselben Individuum ist er an den beiden Seiten nicht selten von
wechselnder Ausbildung; immer ist er aber an dieser Stelle vorhanden. Gewöhnlich ist er mehr oder weniger
rectangulär oder rhomboidartig mit abgestumpften Ecken, also gewissermassen oval. In der Fig. 2, 3, 4 der Taf. XXXVI
haben wir drei solche in der angegebenen Weise geöffnete Säcke vom erwachsenen Menschen abgebildet, von
welchen zwei demselben Individuum angehörten. Mit dem einen Ende reicht der Sack immer bis zur Oeffnung des
knöchernen Aquaeductus vestibuli, mit dem anderen ungefähr bis zur Wand des oben erwähnten Sinus. Die Grösse
wechselt ungefähr zwischen 7—11 Mm. Länge und 4—7 Mm. Breite; im Mittel beträgt die Länge etwa 8 Mm.
Der Raum des Sacks ist eigentlich als spaltenförmig zu betrachten, d. h. er wird von zwei Wänden begrenzt, die
rings um in einem sehr spitzen Winkel in einander übergehen. Beide diese Wände werden von der Dura gebildet;
die, welche dem Knochen anliegt und ihm fest anhaftet, ist in der Regel ein wenig, wenn auch unbedeutend dünner
als die andere, dem Subduralraum zugerichtete. Nach innen zu sind diese Wände im Allgemeinen ganz glatt und
eben, ohne Falten oder Auswüchse, so dass sie am Querschnitt geradlinig erscheinen. Ihre Oberflächen sind etwas
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