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glänzend, wie mit einer Flüssigkeit befeuchtet. Bei näherer Untersuchung rindet man sie mit einem Epithel von
ziemlich niedrigen polygonalen Zellen überzogen (Taf. XXXVI Fig. 7), welches in einfacher Lage die beiden Wände
überall bekleidet. Am Querschnitt der ganzen Durapartie tritt dieses Epithel sehr schön hervor, wobei man es
unmittelbar auf dem Bindegewebe der Dura sitzend findet. Durch Silberfärbung erhält man seine Zellengrenzen in
grosser Ausdehnung immer stark markirt (Taf. XXXVI Fig. 6). Keine andere histologische Elemente, als die oben
erwähnten, waren hier zu finden. In dem spaltenförmigen Sackraum findet man in der Regel nur eine geringe Menge
einer klaren Flüssigkeit. Nur ein Mal trafen wir bei einer Leiche den Sack der einen Seite von einer grösseren
Menge Flüssigkeit stark ausgespannt, und zwar so, dass man schon äusserlich bei Besichtigung der Dura hier eine
rundliche Anschwellung sah; beim Anstechen derselben siekerte die Flüssigkeit schnell heraus.
Diese nun beschriebene Bildung stimmt mit der von Cotugno zuerst endeckten sowohl der Lage als der Gestalt
nach fast ganz überein, obwohl sie seither, wie es scheint, beim erwachsenen Menschen vollständig vergessen wurde.
Auch mit der von Boettcher bei Thieren geschilderten ist sie offenbar identisch. Beim neugeborenen Menschen
haben wir diesen Sack auch verfolgt und immer gefunden. In der Taf. XXXVI Fig. 5 ist ein solcher abgebildet.
Wie verhält sich nun dieser Sack zu den umgebenden Organen oder, richtiger ausgedrückt, steht er mit denselben
in etwaiger directer Verbindung? Es gelingt ohne Schwierigkeit sich davon zu überzeugen, dass das Epithel
des Sackes durch die Oeffnung des knöchernen Aquaeductus vestibuli in die Pars petrosa hinein als ein enges Epi-
tlielialrohr sich fortsetzt. Am Anfang des Rohres sieht man hie und da kleine, zottenartige Falten, von welchen
Boettcher spricht; sonst ist das Epithelialrohr von einer blutgefässführenden, bindegewebigen Hülle umgeben.
Das Epithel, in einfacher Lage vorhanden, entspricht vollständig dem des oben beschriebenen Sackes; es stimmt
aber zugleich mit dem des Vestibulum und der Bogengänge überein. Dass wirklich der fragliche Gang mit dem
häutigen Labyrinth zusammenhängt hat ja auch Boettcher und in späterer Zeit Carl in überzeugender Weise gezeigt.
Es liegt deswegen kein Zweifel mehr vor, dass hier ein wirklicher »Aquaeductus vestibuli membranaceus)) oder, wie
Hasse ihn besser bezeichnet, ein Ductus endolymphaticus vorliegt, welcher mit einem intracraniellen, in der Dura
mater eingeschlossenen Saccus endolymphaticus versehen ist. Es scheint uns von Interesse zu sein, dass diese
beiden Bildungen beim Menschen das ganze Leben hindurch fortbestehen. Man kann sie deswegen nicht gern als
nur embryonale Rudimentärbildungen betrachten. Wie verhält sich aber nun dieser endolymphatische Gang mit
seinem Sack zu den im Schädelraum liegenden Theilen? Steht der Sack, wie Cotugno glaubte, durch kleine )>in-
halirende)) Gefässe mit dem Venensysteme in Verbindung oder öffnet er sich, wie Hasse für die höheren Thiere
vermuthet, in den serösen (epicerebralen, subarachnoidalen) Raum des Gehirns? Um diese wichtige Frage zu entscheiden
haben wir Injectionen im Sack ausgeführt. Im Allgemeinen ist es ziemlich schwer mit einer Stichcanüle
in den Sack einzudringen. Man ist selten ganz sicher, ob dieselbe schon den Sack erreicht hat oder ob sie noch
zwischen den Lamellen der Dura geblieben ist. Im letzteren Falle werden die Venen des Duragewebes, ebenso wie
das Spaltensystem desselben, wie gewöhnlich mehr oder weniger reichlich gefüllt, und der endolymphatische Sack wird
leer gefunden. In den Fällen aber, wenn die Canüle bis in den Sack selbst eingedrungen war, blähte dieser sich
blasenförmig auf und keine Flüssigkeit drang bei mässigem Druck aus ihm in die Dura, noch weniger in den Subdural
-, resp. Subarachnoidalrauin hinaus. Erst bei starkem Druck drang sie auch in diesen Fällen vom Sack ins
Duragewebe ein, dabei das Spaltensystem und die kleinen Blutgefässe mehr oder weniger erfüllend; hier mag eine
Sprengung des Gewebes eingetreten sein. Nach Allem scheint es uns deswegen im höchsten Grade wahrscheinlich,
dass beim Menschen der Sack wirklich gegen den Schädelraum hin abgeschlossen ist und weder mit den serösen
Räumen des Gehirns, noch mit den Blut- oder Lymphgefässeir (resp. Spaltensystem d. Dura) in offener Verbindung
steht. Ebensowenig sahen wir eine Beziehung desselben zur Arachnoidea.
Bei diesen Injectionen drang die Flüssigkeit zwar nicht ins Vestibulum hinein; dies kann aber davon abhängen,
dass die Oeffnung des Canals in etwaiger Weise abgesperrt wurde. Ebensowenig gelang es uns mittelst Einstich
durch die Fenestra ovalis den Sack zu füllen; wir wollen indessen daraus keine Resultate ziehen, da dies eben auf
Zufälligkeiten beruhen mag.
Durch diese Untersuchungen gelangten wir also zu der Ansicht, dass die Injectionsflüssigkeit von den serösen
Räumen des Gehirns aus nicht durch den Aquaeductus vestibuli (Ductus endolymphaticus) ins Innerohr eindringen
kann.
Es blieb uns also übrig des Aquaeductus Cochleae zu gedenken. Leider sind eben in dieser Hinsicht unsere
Untersuchungen nicht abgeschlossen, und wir mussten wegen der übrigen, dringenden Arbeiten an unserem vorliegenden
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