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Gewebes aus. Dies hindert incless nicht, dass in einzelnen Fällen die beiden verschiedenen Injectionen auch getrennt,
jede in ihren besonderen Gebieten, verlaufen. Sie folgt ferner den ins Innere der Stämmchen zwischen die Faserbündel
eindringenden Scheidewänden, indem sie zwischen den Lamellen derselben verläuft, nicht selten hie und da ins Innere
der Bündel selbst hineinfliesst und zwischen den einzelnen Nervenfasern sich ausbreitet, so dass jede dieser Fasern
in der Flüssigkeit schwimmt. Wenn man eine Stichinjection in die Wurzel nach dem Rückenmarke hin ausführt,
läuft die Flüssigkeit zwischen den einzelnen Nervenfasern eine Strecke weit ins Mark hinein. Längs der motorischen
Wurzel fliessen von den subduralen und den subarachnoidalen Räumen aus die Flüssigkeiten auch eine Strecke getrennt
fort, um sich hier ebenfalls mehr und mehr zu vermischen. Die beiden an den Centraiorganen getrennten Räume
treten also, wie wir schon früher hervorgehoben haben, in den peripherischen Bahnen in Verbindung mit einander.
Nachdem wir nun den allgemeinen Typus im Bau der spinalen Nervenwurzeln geschildert haben, erübrigt
noch die Frage, ob die cerebralen sich in derselben Weise verhalten (Taf. I Fig. 3). Aus ihrer verschiedenen
Anordnung und Beschaffenheit ergiebt sich als ziemlich wahrscheinlich, dass sie auch in dieser Hinsicht verschieden
seien. Das erste und besonders das zweite cerebrale Nervenpaar, Olfaktorius und Opticus, haben wir schon in
der Ersten Hälfte dieser Arbeit in eingehender Weise betrachtet. Beim Opticus sahen wir sehr ähnliche Verhältnisse,
obwohl die Scheidenbildungen dort viel reiner entwickelt sind und mancherlei andere Verschiedenheiten, die von
ihrem eigenthümlichen Bau herrühren, entgegen treten. Vom Trigeminus haben wir auch hervorgehoben, dass eine
besondere Duralscheide und eine Arachnoidalscheide an seiner Wurzel nach dem Ganglion Gasseri hin sehr
leicht zu verfolgen ist, sowie dass die vom Subduralraum und von den Subarachnoidalräumen der Centraiorgane
her injicirten Flüssigkeiten getrennt in den subduralen und subarachnoidalen Scheidenräumen der Trigeminuswurzel
verlaufen. Bei letzterer Injection schwimmen die vielen diese Wurzel zusammensetzenden kleinen Stämmchen
geradezu in der injicirten Flüssigkeit. Beim Austritt aus der Gehirnsubstanz bekommt jedes Stämmchen eine dünne
piale Hülle, welche dasselbe nicht in die Substanz hinein begleitet. Es findet sich hier kein Balkenring; dagegen
sieht man oft im Winkel zwischen zwei austretenden Stämmchen ein Blutgefäss, von welchem hie und da ein Zweig
sich in die Hirnsubstanz einsenkt. Die die Stämmchen zusammensetzenden Nervenfasern sind nach unseren Untersuchungen
ganz nach dem oben geschilderten Typus der spinalen Wurzelfasern gebaut; man findet also an ihnen ausser
dem Axencjdinder und der Myelinscheide eine Schwannsche Scheide mit Einschnürungen und mit an der Innenseite
Hegenden, von einer Körnchenzone umgebenen Kernen (Taf. I Fig. 19—21). Die Nervenfasern sind von verschiedener
Dicke; es finden sich nämlich auch hier sowohl breite, wie eine Menge feinerer, deren M)^elinscheide in wechselnder
Gestalt Varicositäten zeigt.
Vom Acusticus haben wir gleichfalls in der Ersten Hälfte angeführt, dass er bis zur Lamina cribrosa von
einer Arachnoidalscheide umgeben wird, welche die subdurale und die subarachnoidale Injection von einander absperrt.
Auch hier wird jedes Stämmchen von einer dünnen pialen Bekleidung umfasst; die Trennung in einzelne Stämmchen
erfolgt aber nicht gleich nach dem Austritt des Nerven aus der Hirnsubstanz, sondern eine Strecke weiterhin. Ein
Balkenring war an der Austrittstellc nicht zu sehen. Die die Stämmchen bildenden Nervenfasern sind ganz wie diejenigen
der spinalen Wurzeln gebaut (Taf. I Fig. 23—24). Ausserhalb des Axencylinders und der Myelinscheide
findet sich die Schwannsche Scheide mit ihren Einschnürungen und Kernen. Hier waren nur mehr spärliche feinere
markhaltige Fasern wahrzunehmen.
Von den übrigen cerebralen Nervenwurzeln untersuchten wir den Facialis, Oculomotorius (Taf. I Fig. 3) und
Abd ucens. Die beiden letzteren stimmen im Ganzen mit dem Trigeminus überein. Auch bei ihnen treten die Stämmchen
getrennt aus der Hirnsubstanz und jedes von ihnen wird dabei von einer dünnen pialen Hülle umgeben, welche keine
gröberen Fasern trägt und nicht in die Hirnsubstanz eindringt; hie und da senken sich aber Zweige von Blutgefässen
hinein, welche im Winkel zwischen den austretenden Nervenstämmchen verlaufen. Beim Facialis war aber am Austritt
aus der Hirnsubstanz keine solche bestimmte Eintheilung in Stämmchen zu sehen; sein Stamm verläuft eine weite
Strecke ohne sich in solche zu zertheilen. Bei den übrigen cerebralen Nervenwurzeln scheint der eben beschriebene
Typus mehr oder weniger ausgeprägt zu sein, nur dass die Trennung resp. Eintheilung in besondere Stämmchen
und Bündel bald früher bald später erfolgt. Beim Austritt aus der Cerebralhöhle bekommen sie eine durale und eine
arachnoidale Scheide, welche bald in die unten zu beschreibenden Nervenhüllen übergeht. Sowohl vom Subduralraum
als von den Subarachnoidalräumen läuft auch hier die injicirte Flüssigkeit nach der Peripherie hin ans. Die einzelnen
Nervenfasern sind wie die der spinalen Wurzeln gebaut; die des Vagus sind überwiegend feinere markhaltige Fasern.
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 3
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