http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/key1876-2/0054
44
breit sind wie die centralen Ausläufer. Schliesslich wenden wir uns zu der interessanten Frage: sind alle die
Ganglienzellen in den fraglichen Ganglien beim Petromyzon wirklich bipolar oder kommen hier auch unipolare
oder apolare Zellen vor? Diese Frage ganz bestimmt zu beantworten scheint sehr schwierig. Freilich gelingt es
bei weitem nicht immer, zwei Ausläufer an jeder Zelle zu sehen, an vielen kommt nur einer, an anderen gar keiner
bei den isolirten Zellen zur Anschauung. Dennoch findet man sehr häufig nach sorgfältigem Suchen und Herumrollen
der Zelle Andeutungen der Ursprungsstellen der Ausläufer oder sehr kleine Reste derselben, welche also abgerissen
waren; und je mehr wir untersuchten, desto mehr überzeugten wir uns, dass die Zellen in der Regel
wirklich bipolar seien, ohne ganz verneinen zu wollen, dass hier auch unipolare Zellen vorkommen können. Hierdurch
ist man gleichwohl nicht berechtigt, Rückschlüsse auf die Verhältnisse bei anderen Fischen oder Thieren
zu ziehen, da ja der Petromyzon und dessen Verwandte in vielen Beziehungen Eigentümlichkeiten im Bau ihres
Nervensystems zeigen. Wir erinnern in dieser Hinsicht nur an das Fehlen des Myelins in den Nerven, an die mangelhafte
Entwickelung des sympathischen Nervensystems, in dessen Ganglien bei anderen Thieren die Zellen ja bi-
oder multipolar sind, u. s. w.
Wie oben erwähnt wurde, haben wir bei den einzelnen vergleichenden Untersuchungen, welche wir an anderen
cerebrospinalen Ganglien beim Petromyzon anstellten, im Allgemeinen keine wesentliche Unterschiede gegenüber
den soeben geschilderten Verhältnissen gefunden; näher sind wir jedoch auf diese Untersuchungen nicht eingegangen.
Nur den Acusticus, bei dem die ganglio-cellulären Bildungen sehr interessante Variationen darbieten, haben wir
genauer untersucht. Diese Bildungen treten in der Nähe des Labyrinthes sehr reichlich auf und lassen sich hauptsächlich
in drei Kategorien bringen. Erstens findet man hier ganz einfache ganglionäre Anschwellungen der Axen-
cylinder oder der myelinfreien Nervenfasern, welche Anschwellungen an der dicksten Stelle einen Kern tragen,
der ganz den Kernen der Ganglienzellen gleicht. Die Anschwellungen gehen entweder nach beiden Seiten so vollständig
diffus in die Nervenfasern über, dass man unmöglich bestimmen kann, wo sie eigentlich aufhören, oder sie
grenzen sich nach der einen Seite oder nach beiden ein wenig schärfer ab; oder man sieht auch an der Mitte der
Anschwellung eine ziemlich distincte Vermehrung derselben, und so entstehen Uebergangsformen zu mehr gedrungenen
spindelförmigen Gestalten, welche lang ausgezogenen, entgegengesetzt bipolaren Ganglienzellen ähneln. In der Nähe
der Kerne sieht man gewöhnlich einen grösseren oder kleineren Flecken, an dem die ganglionären Anschwellungen
dunkler und stärker körnig sind. Bisweilen breitet sich diese stärker körnige Beschaffenheit sehr weit aus. Alle
Nervenfasern sind von einer ganz distincten Schwannschen Scheide umgeben, welche sich mit ihren im Verhältniss
zu andern Nervenfasern ziemlich dicht liegenden Kernen über die ganglionären Anschwellungen ohne Unterbrechung
fortsetzt. Die Nervenfaser, an welcher die Anschwellung sitzt, scheint jederseits derselben im Allgemeinen ziemlich
gleich dick, oder auch der eine Ausläufer ein wenig schmäler als der andere zu sein, was jedoch schwer mit Sicherheit
zu beurtheilen ist, da es häufig unsicher ist, wo die Anschwellung in der That vollständig aufhört. Um einen Begriff
von der Grösse dieser Anschwellungen im Verhältniss zu den sie tragenden Nerven und den unten zu schildernden
Ganglienzellen zu geben, führen wir hier einige Masse an. So fanden wir an einer Nervenfaser von 0.005 Mm.
Breite die ganglionäre Anschwellung an ihrer dicksten Stelle 0.012 Mm., bei einer andern breiteren Faser von 0.012
Mm. war die Anschwellung 0.045 Mm. und an einer Faser von 0.008 war die Anschwellung 0.016 u. s. w. Die von
einer Anschwellung von 0.030 Mm. Dicke an beiden Seiten sich fortsetzenden Nervenfasern massen in grosser Entfernung
von der Anschwellung 0.018, resp. 0.015 Mm. Dies nur als Beispiele, an denen man sehen kann, wie sehr
die Verhältnisse wechseln. Die Grösse der Kerne der ganglionären Anschwellungen schwankt zwischen 0.018 Mm.
und 0.024 Mm.; die Kernkörperchen messen ungefähr 0.005 Mm. bis zu 0.006 Mm. und die Kapselkerne gewöhnlich
0.009 Mm. Am häufigsten findet man die beschriebenen ganglionären Anschwellungen in Gruppen nebeneinander.
Die zweite und der Zahl nach weit überwiegende Form von ganglio-cellulären Bildungen im Acusticus des
Petromyzon sind verhältnissmässig sehr kleine bipolare Ganglienzellen. Sie sind in der Regel von einer, entweder
ausgezogenen oder mehr gedrungenen spindelförmigen Gestalt, oder auch mehr kuglig geformt; ihre beiden als
Nervenfasern sich fortsetzenden Ausläufer entspringen gewöhnlich einander gerade gegenüber. Der eine Ausläufer
scheint uns im Allgemeinen, wie an den Ganglienzellen des Trigeminus, ein wenig gröber als der andere zu sein,
was von den Messungen, welche wir anstellten, bestätigt wurde. Die Scheide der Nervenfasern, an der die Zellen
sitzen, geht als Kapsel um die Zellen fort, und in der Kapsel findet man einige wenige Kerne. Die ganzen Zellen sind
häufig nicht einmal so gross wie die Kerne der oben am Trigeminus beschriebenen Zellen oder die soeben geschilderten
Kerne der ganglionären Anschwellungen der gröberen Acusticusfasern. Auch die Kerne und die Kernkörperchen
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/key1876-2/0054