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Einschnürungen der Nervenröhren sind Kunstproducte, durch die Präparation mit Nadeln entstanden. Kerne, von
Protoplasma umgeben, konnte Roudanovsky nie an der Innenseite der Röhren finden; die Kerne existiren nicht in
der Schwannschen Scheide, sondern in einer äusseren Hülle der Primitivröhren. Das Myelin besteht aus in einander
liegenden Ringen oder Röhren; die innerste derselben umschliesst den Axencylinder. Letzterer, an welchem er zuweilen
ganz unzweideutig kleine Kerne sah, enthält in seinem inneren Canal eine Flüssigkeit, die sich bewegen
könne. In manchen Fällen sind die Axencylinder angrenzender Röhren durch Querfasern mit einander verbunden.
In seinen späteren Arbeiten hat Frey x) die Bezeichnung »Neurilemm» für die Schwannsche Scheide und das
Wort »Perineurium» für das Neurilem anderer Forscher angewandt. Betreffs der ersten nimmt er in seiner letzten
Publication die Ranvierschen Schnürringe sowie die Kerne der Scheide an. Das »Perineurium» dringt platten- und
scheidenartie; nach innen zwischen die Bündel der Nervenfasern, wird dabei loser und weicher. »Seine modifizirte
Grenzschicht bildet zuletzt die Primitivscheide der Nervenröhre.»
Der Bau der Nervenfasern der eerebrospinalen Nerven.
Den Bau der peripherischen eerebrospinalen Nerven werden wir in besonderen Capiteln schildern, nämlich
zuerst die Nervenfasern, und dann das in die Bildung der Nerven eingehende Bindegewebe, nebst den Saftbahnen»
der Nerven sowie das Verhalten der Nerven nach ihrer peripherischen Endausbreitung hin. Wir beginnen mit der
Schilderung der Nervenfasern, nachdem wir zuerst einen Rückblick auf die bisherigen Angaben über die dieselben
zusammensetzenden Theile geworfen haben.
Historischer Rückblick.
Wie aus der obigen ausführlicheren Darstellung der betreffenden Literatur hervorgeht, haben bis auf die letzte
Zeit weniger das eingehendere Studium über den Bau der peripherischen Nerven als einige besondere allgemeine
Fragen die Aufmerksamkeit der Anatomen in Anspruch genommen. Von diesen Fragen war diejenige über die Natur
der organischen (vegetativen) Nervenfasern eine der am meisten hervorragenden. In einem unten folgenden Capitel
werden wir diesen Gegenstand in Zusammenhang mit einer Darstellung der früheren Ansichten über den Nervus
Sympathicus genauer besprechen. Ferner hat die Frage vom natürlichen Vorhandensein des Axencylinders
Veranlassung zu bedeutenden Differenzen gegeben. Wahrscheinlicher Weise hat Fontana dies Gebilde gesehen.
Von Ehrenberg und von Valentin wird es nicht erwähnt, vielmehr mit Sicherheit zuerst von Remak gefunden und als
ein normaler Bestandtheil der Nervenfaser unter dem Namen »Primitivband» (Fibra primitiva) bestimmter beschrieben;
fast gleichzeitig wurde es von Purkinje als ein Canal innerhalb des Markes, später aber von ihm und Rosenthal
als ein fester Strang, Cylinder axis, geschildert und dann auch von Schwann als normal vorhanden angenommen.
Valentin und Henle fassten das fragliche Gebilde als den noch nicht geronnenen, centralen Theil des Markes auf;
ebenso R. Wagner, Leydig u. A. Hannover und J. Müller schlössen sich Remak an und Kölliker beschrieb
den Axencylinder als eine schon während des Lebens vorkommende natürliche und normale Bildung. Endlich
wurde der Axencylinder als der wichtigste Bestandtheil der Nervenfaser allgemein anerkannt. Ueber die Gestalt
und den Bau desselben sind verhältnissmässig nur wenige unter einander verschiedene Ansichten geäussert worden.
J) Handbuch der Histologie und Histochemie des Menschen. Vierte Auflage. Leipzig 1874. — Grundzüge der Histologie zur
Einleitung in das Studium derselben. Leipzig 1875.
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