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den ersten Zweigen gesehen; in die feineren Verzweigungen haben wir die Nerven beim Petromyzon nicht
verfolgt.
Was die Form der Fasern betrifft, so sehen sie, mögen sie gröber oder feiner sein, im Allgemeinen platt aus.
Sowohl bei Biegungen derselben, wobei man optische Querschnitte bekommt, als auch bei Drehungen (Fig. 7),
wobei man die Fasern zum Theil von der Kante zum Theil von der Fläche aus sieht, als auch bei den abgerissenen
Enden (Fig. 3) findet man ganz unzweifelhafte Zeugnisse dafür, dass sehr viele von den Fasern stark abgeplattet,
ja vollständig bandförmig sind. Indessen haben bei Weitem nicht alle Fasern diese Gestalt. Man findet nämlich
nicht nur nach Erhärten in Osmiumsäure oder nach Conservirung in anderen Flüssigkeiten, sondern auch bei ganz
frischer Untersuchung in Humor aqueus eine grosse Anzahl von Fasern, welche im optischen Durchschnitte vollständig
drehrund sind (Fig. 8). Nicht selten findet man auch solche, welche einen Durchschnitt wie von einer biconvexen
Linse zeigen, das heisst, sie sind mehr oder minder stark abgeplattet mit zwei runderhabenen Flächen und zugespitzten
Rändern (Fig. 4).
Bei der Beschreibung des feineren Baues der Fasern fangen wir mit dem Axencylinder an. Dass dieser im
ganz frischen Zustande die Schwannsche Scheide vollständig erfüllt, wurde schon oben als Resultat der Untersuchung
in Humor aqueus angegeben. Eine vollständige Bestätigung hiervon bekommt man bei guter Erhärtung in Osmiumsäure
, wobei ebenfalls gar kein Zwischenraum zwischen der Scheide und dem Axencylinder zu sehen ist. Wie oben
erwähnt, treten nach Anilinfärbnng der Osmiumpräparate sowohl die Längsstreifung, wie die Körner der Axencylinder
deutlicher hervor als bei frischer Untersuchung. Die letzteren färben sich nämlich gleich wie Protoplasmakörner in
Anilin, und man sieht dann ganz deutlich, wie sie theils in Längsstreifen theils mehr diffus wie ein feiner Schleier
in den Axencylindern angeordnet sind. Zwischen den körnigen Längsstreifen sieht die Substanz übrigens ganz
homogen aus. Die Körner sind indessen theils reichlicher, theils spärlicher vorhanden, und besonders in den Anfangs-
thcilen der Fasern, in der Nähe der Ganglienzellen, sind sie häufig so reichlich, dass die Axencylinder oder Nerven-
fasern durch und durch ein körnig protoplasmatisches Aussehen bekommen, oder, wenn man so will, sie behalten
hier eine längere oder kürzere Strecke das protoplasmatische Aussehen, welches sie von Anfang an als Ausläufer
der Ganglienzellen hatten. Sowohl hier als überall im Stämme des Trigeminus sind die Körner häufig in der Mitte der
Fasern stärker gesammelt (Fig. 2 & 3), so dass hier nach der Anilinfärbung ein mehr oder minder breiter, mehr lebhaft
rother, körniger centraler Strang oder Streifen längs der ganzen Faser verläuft, was möglicher Weise zur Annahme
des Vorhandenseins eines Centralcanals Veranlassung geben könnte, welche Annahme jedoch ganz falsch wäre.
Die Begrenzungen des breiten centralen Streifens oder Stranges sind keineswegs scharf; die Körner breiten sich
seitlich davon aus, und der ganze Strang zeichnet sich nur durch ein mehr protoplasmatisches Aussehen aus. Zwischen
den vorher öfters erwähnten feinen Längsstreifen mit deren linearen Körnerreihen sieht die Substanz dagegen, wie
oben erwähnt wurde, vollständig homogen aus. Das ganze Aussehen der Axencylinder spricht sehr für die von
Max Schültze aufgestellte Vermuthung über den Bau derselben im Allgemeinen, dass sie nämlich aus feineren,
in eine körnige Substanz eingebetteten Fibrillen zusammengesetzt sind. Ueber diesen interessanten Punkt ist es
uns in der That gelungen, bei dem Petromyzon, mit dessen groben, durch Mangel der Myelinscheide für die Untersuchung
so äusserst günstigen Axencylindern, zu völliger Klarheit zu kommen. Nicht ganz selten haben wir
nämlich solche Bilder bekommen, wie wir sie in der Taf. XI Fig. 2 bei a abgebildet haben. Man sieht dort an dem abgerissenen
Ende einer platten Faser ganz unzweifelhaft, wie der ganze Axencylinder in mehrere, homogene, feinere
Fäden oder Fibrillen zertheilt ist, und wie die Zwischenräume zwischen diesen Fibrillen von einer körnigen, protoplasmatisch
aussehenden Substanz eingenommen werden. Gegen gewöhnliche Reagenzien und Färbungsmittel verhält sich
auch diese körnige Substanz wie das Protoplasma, und da, wo die Fasern oder Axencylinder von den Ganglienzellen
auslaufen, sieht man ja auch ganz evident, wie sie, gleichwie der ganze Axencylinder, eine directe Fortsetzung der
Zellensubstanz ist. Wenn die Längsstreifung als Ausdruck der fibrillären Differenzirung und Zerklüftung auch oft schon
hier früh auftritt, ja häufig schon in den Zellen selbst an der Abgangsstelle der Fasern zu sehen ist, so behält doch oft
der Axencylinder, wie vorher erwähnt wurde, noch eine weite Strecke von der Zelle eine durch und durch mehr körnige
, protoplasmatische Beschaffenheit. In der Mitte der Fasern findet man nun, wie oben geschildert wurde, diese
Beschaffenheit sehr häufig beibehalten, sowohl in dem ganzen Stamme als auch wenigstens in den ersten Zweigen
des Trigeminus; in dieser Weise scheint uns nämlich der oben beschriebene, nach Osmiumbehandlung in Anilin sich
stärker färbende, körnige centrale Strang erklärt werden zu müssen.
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