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und wechselweise ein äusseres und ein inneres Begrenzungshäutchen unter gewöhnlichen Verhältnissen so dicht an
einander drückt, dass sie im optischen Durchschnitt bei Untersuchung im frischen Zustande als einfach erscheinen.
Uebrigens erhält man auch nach Erhärtung in Chromsäure und etwaigem Anpressen der Körperchen dieselben Bilder:
Faserhaltige Zwischenräume, jederseits von einem dünnen Häutchen begrenzt,'und zwischen den letzteren hie und
da Spalten, die ohne alle Fasern und dadurch entstanden sind, dass die Häutchen in den Kapsellinien sich von
einander getrennt haben.
Auf Grund dieser Verhältnisse ist es klar, dass man unter der Bezeichnung »Kapsel)) etwas ganz Anderes verstehen
muss, als bisher von den Histologen geschehen. Nach unserer Auffassung besteht jede Kapsel in den Paci-
nischen Körperchen aus den beiden erwähnten Begrenzungshäutchen und dem zwischen ihnen befindlichen, die freien
transversalen Fasern sowie die Flüssigkeit enthaltenden Zwischenraum. Mit dieser Darstellung vom Bau der Kapseln
lässt sich die Benennung »Spatia intercapsularia)) für die hellen faserhaltigen Zwischenräume nicht vereinigen; wir haben
sie deswegen Spatia intracapsularia oder Kapselräume genannt. Dagegen bezeichnen wir die leeren, zwischen
den angrenzenden Kapseln befindlichen Spalten als Spatia intercapsularia oder Spaltenräume. Inwieweit diese
letzteren jemals unter normalen Verhältnissen so viel Flüssigkeit enthalten können, dass sie in bemerkenswerther
Weise dadurch ausgespannt werden, ist sehr schwer zu entscheiden. Hie]- mag indessen hervorgehoben werden,
dass sie am erhärteten Präparat zuweilen ebenso breit oder noch breiter sind als die Kapselräume selbst, wobei sie
auch eine Flüssigkeit enthalten; beim Andrücken zwischen Deck- und Objectgläschen strömt die letztere nach den
Seiten hin und spannt dort die Spaltenräume aus. Diese Flüssigkeit könnte indessen von den Kapselräumen aus
durch Berstung ihrer Begrenzungshäutchen oder durch andere Veränderungen dahin gelangt sein. Dafür spricht
die Thatsache, dass man, wenn eben die Spaltenräume gross und breit sind, die Kapselräume oft in entsprechendem
Verhältniss schmal findet.
Nach dieser Darstellung unserer allgemeinen Auffassung von der Zusammensetzung der Kapseln und unserer
Bezeichnungen ihrer Theile werden wir jetzt zur näheren Beschreibung des Baues dieser Bildungen übergehen.
Wenn man im optischen Durchschnitt eins der beiden Begrenzungshäutchen einer Kapsel betrachtet (z.* B.
Taf. XXVI Fig. 1), eben an einer Stelle, wo es von dem Begrenzungshäutchen der angrenzenden Kapsel getrennt
ist, so sieht man dasselbe als eine gerade, dünne, glänzende Linie verlaufen, in welcher man, wie erwähnt, hie
und da doppelte Contouren erkennen kann. Es ist im Allgemeinen homogen, aber bei stärkeren Vergrösserungen
(Taf. XXVI Fig. 9) sieht man in demselben feine Pünktchen, welche bei näherer Untersuchung sich als optische
Querschnitte feiner Fäserchen erweisen; diese Fäserchen verlaufen im Häutchen selbst und sind gar nicht mit den
in den Kapselräumen befindlichen freien Fasern zu verwechseln. In gewissen Abständen liegen Kerne am äusseren
sowohl als am inneren Begrenzungshäutchen jeder Kapsel und scheinen gewöhnlich von den Häutchen in den
Spaltenraum auszuschiessen; zuweilen ragen sie indessen in den Kapselraum hinein, und hie und da findet man sie
gleichsam in dem Häutchen selbst liegend und von beiden Seiten her hervortretend (S. an den Taf. XXIV—XXVI).
Nicht selten findet man die Kerne nur auf der Oberfläche des feinen glänzenden Häutchens liegend; dann sieht man aber
in der Regel eine ausserordentlich feine Contour von den beiden Enden des Kerns zu dem betreffenden Häutchen
verlaufen (S. an denselben Tafeln); der Kern liegt gleichsam als ein Hügelchen auf der dem Spaltenraum zugewandten
Oberfläche des Häutchens, ohne dass gewöhnlich ein deutliches Protoplasma in seiner Umgebung erscheint. Die
feine Contour von den Enden macht aber, besonders bei veränderter Focuseinstellung, den Eindruck, der optische
Durchschnitt einer ausserordentlich dünnen Häutchenzellenmembran zu sein, welche mithin das Begrenzungshäutchen
überziehen oder seine Oberflächenschicht ausmachen würde. Dass es in der That sich so verhält, geht daraus mit
Sicherheit hervor, dass man oft Kerne findet (Taf. XXV Fig. 4; Taf. XXVI Fig. 2), welche theilweise von dem Begrenzungshäutchen
abgelöst sind und an demselben im Spaltenraum flottiren, wobei sie indessen durch ein von dem
einen Ende oder der einen Seite ausgehendes, äusserst feines und durchsichtiges, aber deutlich erkennbares Häutchen
angeheftet sind. An anderen Stellen aber findet man, dass eine ganze Reihe von Kernen sich vollständig von dem
Begrenzungshäutchen abgelöst hat und frei im Spaltenraum liegt, mit einander aber durch eine sehr feine Linie
vereinigt ist, welche dem Aussehen nach einer feinen Faser ähnelt. Bei veränderter Focuseinstellung kann man sich
indessen davon überzeugen, dass diese Faser nichts Anderes ist als der optische Durchschnitt eines feinen Häutchens,
welches in Verbindung mit den Kernen von dem Begrenzungshäutchen abgelöst ist. Hie und da sieht man das
Zellenhäutchen sich wieder dem darunterliegenden Begrenzungshäutchen anlegen, und dann erscheinen beide nur als
Key and Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 48
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