http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_02/0022
mit aller Entschiedenheit eingetreten war, hatte
die Wahl verloren. Ein Wahlplakat drückte das
Ergebnis so aus:
Die Kirche bleibt dem Pfarrer,
aufs Rathaus geht der Harrer!
Diese erste „Harrer-Wahl" hatte ein außerordentlich
bedauerliches Ereignis zur Folge. Am
Tage nach der Wahl luden die beiden größten
Industriefirmen zur „Siegesfeier" ein, die HAU
feierte im oberen Göttelbach, die Junghansia-
ner" im Eiswerk im Bernecktal. Als spätabends
eine Gruppe Männer und Frauen, vorwiegend
aus Sulgen, auf einem Pritschenwagen die Heimreise
antrat, ereignete sich ein furchtbares Unglück
. Das Fahrzeug kam bei der Teufelsküche
ins Schleudern und stürzte die 3 m hohe Böschung
hinunter in den Bach. Alle 25 Personen,
die darauf Platz genommen hatten, wurden
verletzt und mußten ins Krankenhaus eingeliefert
werden, wo sie von Dr. Haerle, Dr. Mackle,
Dr. Gais und Dr. Stemmer versorgt wurden. Der
26-jährige Franz Rapp von Sulgen und die 62-
jährige Frau Braunschweiger von Schramberg
verstarben am Unglücksort, zwei weitere an den
Folgen ihrer Verletzungen in den folgenden
Tagen.
Der neue Stadtschultheiß Edmund Harrer wurde
am 11. Oktober 1902 vom Oberamtmann in
sein Amt eingeführt. An die relativ kurze „Ära
Harrer" erinnern zwei in jenen Jahren erstellte
Kommunalbauten, die Realschule und das
Schlachthaus. In der Sitzung der Bürgerlichen
Kollegien vom 23. März 1903 stellte Stadtschultheiß
Harrer erstmals den Antrag auf Bau
eines Schulgebäudes für die Real-, Latein-
und Mittelschule, da trotz Erstellung des
Berneckschulgebäudes innerhalb der beiden
letzten Jahrzehnte der Schulraum schon wieder
knapp geworden war. Als Standort schlug Harrer
entweder die dem Mohrenwirt gehörige
„Grüner'sche Wiese" im Spittel oder den Leibbrandplatz
vor. Gegen beide Standorte wurden
Bedenken angemeldet, so daß man allerseits
froh war, als von der Strohmanufaktur J. P. Haas
Gelände angeboten wurde, das nach aller Ansicht
„prächtig" und auch billig war. Umstritten
war zunächst auch der Vorschlag Harrers, einen
Wettbewerb auszuschreiben. Doch Harrer
setzte sich hierbei schließlich durch, nicht zuletzt
dank der energischen Unterstützung durch
Professor Fischer aus Stuttgart. Erster Preisträ-
Stadtschultheiß Edmund Harrer (1902 - 1909)
ger des Wettbewerbs wurde Architekt Veith aus
München. Der Kostenvoranschlag für dieses erste
repräsentative kommunale Gebäude in
Schramberg belief sich auf 300 000 Mark. Am
23. März 1905 wurde mit dem Bau begonnen,
und am 4. November 1906 konnte diese neue
Schule mit einem großen Festakt ihrer Bestimmung
übergeben werden. In die neue Schule
zogen 148 Schüler ein, darunter 15 der Lateinabteilung
. Von Gemeinderat Junghans wurde
der neuen Schule zur Bereicherung des Naturkundeunterrichts
eine Naturaliensammlung gestiftet
.
Das zweite kommunale Großbauvorhaben war
der Schlachthof. Der Sitzung der Bürgerlichen
Kollegien am 29.2.1904 lag ein Antrag der Metzgerinnung
vor, wonach diese auf dem Areal der
Masse-Mühle der Steingutfabrik „Villeroy u.
Boch" ein Schlachthaus erstellen und in eigener
Regie betreiben wollte. Stadtschultheiß Harrer
begrüßte den Antrag, weil er bei einer schnellen
Realisierung eines solchen Vorhabens die Möglichkeit
sah, die längst beabsichtigte Fleischsteuer
einführen zu können. Doch die Stadträte
widersprachen ihrem Vorsitzenden und lehnten
ab. In der Sitzung am 5. Mai wurde ein Vor-
22
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_02/0022