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rückgetretene Stadtschultheiß Harret wieder
Bewerber sei. Harrer wußte, er konnte sich
nach wie vor auf die Sozialdemokraten und
große Teile der Demokraten verlassen. Außerdem
hatte er die wohlwollende Unterstützung
einer Großfirma. Um aber ganz sicherzugehen,
versuchte Harrer auch noch mit allen Mitteln,
einflußreiche Zentrumsleute für sich zu gewinnen
. Doch der offizielle Kandidat des Zentrums
war und blieb Amtmann Doli aus Biberach.
Eine wahre Flut an Flugblättern und Zeitungsanzeigen
heizte den Wahlkampf kräftig an, wobei
sich sehr nachhaltig der industrielle Konkurrenzkampf
und die zeitweise massive familiäre
Gegnerschaft bemerkbar machten.
Das Wahlergebnis der Wahl am 4. Juni 1908:
Wahlberechtigte: 1476
Abgegebene Stimmen: 1407
Für Harrer: 777 Stimmen
Für Doli: 630 Stimmen
Doch der mit deutlicher Mehrheit wiedergewählte
Stadtschultheiß a. D. Harrer wurde von
der Königlichen Staatsregierung nicht bestätigt,
statt dessen wurde auf 7. September eine Neuwahl
angesetzt. Als Kandidaten präsentierten
sich wieder: Altschultheiß E. Harrer und Amtmann
Doli. Die Anhänger von Harrer waren nun
eifrigst bemüht, möglichst viele „Beisitzer" zum
Erwerb des Bürger- und damit auch des Wahlrechts
zu bewegen, um Harrers Vorsprung auf
eine 2/3 Mehrheit zu steigern. Auch der in
dieser Wahlkampfzeit erstmals erschienene
„Schwarzwälder Grenzbote" trat für Harrer ein.
Das Wahlergebnis vom 7. September 1908:
Für Harrer: 849 Stimmen (+72)
Für Doli: 779 Stimmen (+ 149)
Nach seinen früheren Bewerbungen in Schram-
berg, Ravensburg, Weingarten, Friedrichshafen,
Hechingen und nun wieder zweimal in Schram-
berg war Amtmann Doli insgesamt siebenmal
als Stadtschultheißenkandidat gescheitert.
Doch der mit Mehrheit gewählte Harrer wurde
wiederum von der Regierung nicht bestätigt.
Das war das endgültige „Aus" für Harrer in
Schramberg. Er verließ die Stadt und zog nach
Stuttgart, wo er bei der dortigen Stadtverwaltung
in untergeordneter Stellung Dienst tat. Am
4. Januar 1909 wurde der nun schon Monate
währenden „schultheißlosen Zeit" in Schramberg
mit der Berufung von Amtmann Franz
Stadtschultheiß Franz Paradeis (1909 - 1919)
Paradeis aus Göppingen zum staatl. Stadt-
schultheißenamtsverweser durch die Königliche
Regierung in Stuttgart ein Ende bereitet.
Oberamtman Hailer wies in seiner Einführungsrede
mit Nachdruck daraufhin, daß Schramberg
in letzter Zeit schweren politischen Erschütterungen
ausgesetzt gewesen sei, welche auch
seine wirtschaftliche Entwicklung aufs schwerste
gefährdet hätten. Es sei deshalb eine der
dringendsten Aufgaben des Amtsverwesers,
versöhnend und ausgleichend zu wirken, damit
der Gemeindefrieden wiederhergestellt werden
könne. Auch die Sprecher der Gemeinderatsfraktionen
brachten einhellig den Wunsch nach
Wiederherstellung des Gemeindefriedens zum
Ausdruck.
Franz Paradeis war am 8.11.1871 in Mariakoppel
Kr. Crailsheim geboren. Er war katholisch,
verheiratet und hatte zwei Kinder. In Tübingen
und Berlin hatte er Jura studiert und war hernach
an verschiedenen Oberämtern tätig gewesen
, zuletzt seit 16.1.1902 in Göppingen.
Die anstehende Stadtschultheißenwahl war auf
28.2.1910 festgesetzt worden. Außer Amtsver-
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