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In der Sitzung der Kammer der Abgeordneten
vom 30. April 1883 erfuhr das Projekt wieder
einen empfindlichen Rückschlag. Dem Hinweis
des Abgeordneten des Bezirks Oberndorf auf
die außerordentliche Bedeutung der Bahn für
die „gedeihliche" Entwicklung Schrambergs begegnete
der Präsident des Staatsministeriums,
von Mittnacht, mit teils hinhaltenden, teils ausweichenden
Äußerungen. Der Verdacht der
Verzögerungstaktik liegt nahe. Da war die Rede
von Untersuchungen des Innenministeriums
über die Trassenführung einer normal- oder
schmalspurigen Bahn, über den Umfang von
Porphyrtransporten dieser Bahn, die das wertvolle
Schramberger Mineral dem württembergischen
Straßenbau zuführen könnte; von der
Höhe der Schramberger Beteiligung an den
Kosten . . .
Näheres wurde dazu im Erlaß des Staatsministeriums
der auswärtigen Angelegenheiten, Abteilung
Verkehrsanstalten, vom 22. April 1884 ausgeführt
: Die Entschließung der Königlichen Regierung
werde wesentlich davon abhängen,
„wie die Stadtgemeinde Schramberg und die
sonstigen Interessenten zu dem Unternehmen
der Anlage einer Zweigbahn sich verhalten, unter
welchen Modalitäten bezüglich einer etwaigen
Staatshilfe die Interessenten die Ausführung
des Unternehmens selbst in die Hand zu nehmen
beabsichtigen . . ."
In Erklärungen vom 4. Juni und 22. September
1884 legten sich die „Kollegien und Interessenten
" von Schramberg fest:
- Es kommt nur eine normalspurige Bahn in
Frage.
- Schramberg sieht sich außerstande, das Unternehmen
selbst durchzuführen.
- Schramberg ist jedoch bereit, sich mit einem
einmaligen Baubeitrag von 50 000 Mk. „ä
fonds perdu" (= verlorener Zuschuß - Verf.)
zu beteiligen.
- Die Gemeinde tritt für den Bau erforderliche
eigene Grundstücke und Gemeindewege unentgeltlich
ab.
Neun Firmen von „Großindustriellen" haben
sich außerdem am 1. Dezember 1884 „unterschriftlich
" verpflichtet, für eine Jahresfracht
von „wenigstens 500 000 Centner Güter" für
die Dauer von 10 Jahren „volle Garantie" zu
übernehmen.
Mit dem Titel „Die Entwicklung Schrambergs
zur Industriestadt" könnte das hochinteressante
Kapitel überschrieben werden, in dem Oberbaurat
Leibbrand die Situation der Schramberger
Wirtschaft darstellt.
Aufgrund von Verkehrsuntersuchungen wurde
festgestellt, daß Schramberg täglich 280 Zugtiere
durchgehend „passieren", daß jährlich 40 000
Tonnen durch Schramberg transportiert
werden.
Die Kaiserliche Oberpostdirektion in Konstanz
notierte für 1882/83 10 570 Personen, die zwischen
Schramberg und Rottweil, Oberndorf und
Schiltach mit der Postkutsche gefahren wurden.
Die umfangreichen Erhebungen und das imposante
Zahlenwerk in der Denkschrift haben sicher
wesentlich dazu beigetragen, die Stuttgarter
schließlich zu überzeugen. Von beklemmender
Aktualität sind die Warnungen Leibbrands
schon 1885: „Die Gefahr, welche der Industrie
Schrambergs und damit der Stadt und dem umliegenden
Bezirk droht, wenn derselbe nicht in
absehbarer Zeit in den Besitz einer Eisenbahn
gelangt, ist eine nicht zu unterschätzende." Firmenzusammenbrüche
, Verdienstlosigkeit (!)
und letztlich der wirtschaftliche Niedergang
Schrambergs seien die Folge.
Die Kosten für eine normalspurige Bahn mit
Radien von 120 m und einer größten Steigung
von 15,4 %o gibt Leibbrand mit 625 000 Mk an.
Die — zunächst wesentlich billigeren — Schmalspurbahnen
von 0,75 und 1,00 m Spurweite
lehnt er ab. Er weist nach, daß die Umlade-
kosten in Schiltach im Falle einer Schmalspurlösung
die Bahn unrentabel machen würden.
Mit näheren Angaben zum Bahnprojekt wartet
die Königlich-Württembergische Generaldirektion
der Verkehrsanstalten auf:
Länge der Anlage (Bahnhof Schiltach
bis Bahnhof Schramberg: 9135m,
hiervon entfallen auf
badisches Staatsgebiet: 7210 m.
Höhe des Bahnhofs Schramberg 416,7 m ü.d.M.
Höhe des Bahnhofs Schiltach 324,4 m ü.d.M.
Die Bahn ersteigt somit 92,3 m
Haltestellen sind vorgesehen beim „Löwen", bei
der Kunstmühle, vielleicht bei der Einmündung
des Aichhaider Weges.
Sparsamkeit ist bei der Sekundärbahn oberstes
Gebot: Durch Verwendung gebrauchter Schie-
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