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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_02/0060
Lydia Neu - Paul Rapp:

SO ALT WIE'S RAMSTEINER LOCH

„So alt wie's Ramsteiner Loch" - eine Schram-
berger Redensart, die auch heute noch Einheimische
gerne verwenden und die „Rei-
g'schmeckte" sicher schon aus berufenem Munde
vernommen haben. Mit dem Hinweis auf das
Naturphänomen am Ausgang des Bernecktals
will man seinem über irgendeine vermeintliche
Neuigkeit erstaunten Gegenüber klarmachen,
daß diese schon „uralt" ist. Dieser Vergleich ist
so treffend, daß sich jede weitere Erklärung
oder Nachfrage erübrigt.

Das gilt für alle Redensarten: Sie erwecken in
ihrer Kürze und Dichte den Eindruck des Endgültigen
und haben damit etwas Poetisches an
sich. Das schwierig Auszudrückende wird in
einem eingängigen Bild verdeutlicht, das Fernliegende
durch das Naheliegende erklärt, das
Abstrakte durch das Konkrete veranschaulicht.
Man ist nun tatsächlich „im Bild"! Mit der Entfernung
von der Wirklichkeit wird dieser die
Schärfe genommen, und mit der Übertreibung
wird angedeutet, daß man das Gesagte „nicht so
wörtlich" nehmen soll. Bei aller Schärfe und
Zuspitzung haben diese Redensarten doch auch
etwas Versöhnliches an sich, ein Hintertürchen
bleibt offen, durch das man jederzeit wieder
zueinander finden kann. Das „Nichts für ungut"
läßt sich selbst an die derbsten und deftigsten
Wendungen anhängen.

Die folgenden Redensarten sind sicher nicht
alle ausschließlich auf Schramberg beschränkt,
aber sie sind zumindest für unsere Stadt typisch
oder, besser gesagt, waren es. Denn manche von
ihnen, vielleicht die meisten, sind im Aussterben
begriffen, weil die Welt, die sie widerspiegeln
, schon weitgehend der Vergangenheit angehört
.

Viele der zusammengetragenen Redensarten beschäftigen
sich mit dem „lieben Mitmenschen",
und da zunächst mit seiner äußeren Erscheinung
: Ob einer „e Glufe-Köpfle" (eig. Stecknadelkopf
) oder einen Kopf „wie e Imme-Schidde"
(eig. Bienenkorb) hat, macht schon einen Unterschied
. Und wenn einer gar einen „Seschter"
(altes dt. Hohlmaß = 161) hat, sprengt das ganz
und gar den Rahmen des Gewöhnlichen. Einer,
der „O-Füeß het, daß mer könnt e Bierfäßle
durchruegle" (durchrollen), kommt so wenig
für eine Schönheitskonkurrenz in Frage wie
eine, die „e G'sicht hot wie e vertretene Wasser-
schapfe" (Schöpfkelle).

Ausgesprochen treffsicher wird das Verhalten
anderer beschrieben. Kann man weiblichen
Hochmut etwa besser „veranschaulichen" als
mit der Redensart „Die steckt de Krage so in
d'Höh, daß es ihr in d'Naselöcher regnet"? Und
von Emanzipation keine Spur, wenn die Rolle
einer Frau so beschrieben wird: „Sie hot bloß
derfe zum Obede-Loch (Loch in der Scheune)
ragucke"! Schadenfroh wird bemerkt, daß „einer
schö am Däfer (Wandverkleidung) nagange
isch" oder „es ihn schwer am Däfer nabg'haue
het". Hat einer „dem Dreck e Ohrfeig gea", so
hat er etwas völlig umsonst getan. Nicht ohne
einen Anflug von Neid dagegen wird festgestellt
: „Dem scheißt der Teufel no en Haufe
druf' oder „Dem kälberet no der Dreschflegel uf
der Bühne (Speicher)". Nicht besonders rücksichtsvoll
ist, wer „unterm Hag num fresse" will.
Ganz gegen den Strich geht einem jemand, der
„e hilzes (hölzernes) Gelächter" anschlägt, „die
Lätsch rabhängt", „en Hafekäs rausschwätzt"
und dazu noch „frech isch wie der Rotz am
Ärmel".

Damit sind wir schon bei den Redensarten, mit
denen der Charakter eines „Dritten" beschrieben
wird, ein schlechter selbstverständlich!
„Der isch abg'schlage wie en Bettelstecke" oder
„wie en Bettelsack" zeigt überdeutlich, mit wieviel
Hinterhältigkeit man in einem solchen Fall
rechnen muß. Noch schlimmer ist natürlich
„einer, der so liedrig isch wie e Galgeholz".

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